
Mehr Wohnungen als neue Einwohner
Um 1000 Einwohner ist der Bezirk Zofingen letztes Jahr gewachsen – 1000 Leute, die Wohnraum benötigt haben. Vor zehn Jahren hätte in so einer Situation Wohnungsnot geherrscht. Für 2018 aber weist die Statistik für den Bezirk nicht nur ein Bevölkerungswachstum von 1,4 Prozent, sondern auch einen Leerwohnungsbestand von 1376 Wohnungen aus – davon 105 in Einfamilienhäusern. Unter dem Strich bedeutet dies, dass 1700 oder noch mehr Wohnungen auf dem Markt waren.
Haben wir es mit einer Immobilienblase zu tun? Die Finanzmarktaufsicht Finma hat letzte Woche jedenfalls Alarm geschlagen – Direktor Mark Branson warnt vor einem Too-big-to-fail-Problem im Immobilienmarkt. Eine Marktanalyse sowie Stresstests hätten gezeigt, dass das Blasenrisiko gestiegen ist. Pro Kopf der Bevölkerung hat die Finma eine Hypothekarverschuldung von rund 120 000 Franken errechnet – das ist weltweiter Spitzenwert.
Dass darin ein riesiges gesamtwirtschaftliches Risikopotenzial schlummert, kann keine Geiss wegschlecken. Ein auch nur geringer Anstieg der Zinsen kann verheerende Folgen haben. Die Schweiz hat das in den Neunzigerjahren erlebt. Damals stürzte eine Immobilienkrise die gesamte Volkswirtschaft in eine zähe Rezession. Was sind die Ursachen? Bankenkrise, Negativzinsen und immer mehr ältere Menschen, welche AHV- und BVG-Rente beziehen, haben den Immobilienmarkt umgekrempelt. Die Kassenwarte der AHV und des BVG haben auf der Suche nach sicheren und doch einigermassen rentablen Anlagen noch stärker auf Immobilien gesetzt. Das Resultat ist eine Überproduktion an Wohnungen mit Leerbeständen, welche 2019 zunehmen dürften.
Verschärft wird das Problem dadurch, dass sehr viele neue Mietwohnungen an Orten gebaut wurden, wo man sie besser nicht gebaut hätte. Bleiben sie leer, senken die Eigentümer die Miete. Viele Menschen zügeln in die für sie nun erschwinglichen modernen Wohnungen. Der Leerbestand zieht in die alten Objekte um und ein altes Haus wird so zur heissen Kartoffel – für die Eigentümer, die den Zins senken müssen, aber auch für die Standortgemeinde, die mit mehr Sozialausgaben rechnen muss. In Zahlen: 1139 der 1376 freien Wohnungen befanden sich in «Altbauten».
Robin Wasser, Regionenleiter Zofingen der Neuen Aargauer Bank (NAB), hat letzten Monat die Situation im Grossraum Zofingen als «verhalten kritisch» bezeichnet: « Der Leerstand von Mietwohnungen nimmt bei hoher Bautätigkeit weiter zu.» Entsprechend genau sieht die NAB heute bei der Kreditvergabe für Rendite-Objekte hin. Entscheidend sei heute nicht mehr nur «Lage, Lage» (wo befindet sich das Haus), sondern auch Grundriss. Wenn Mieter sich ihre Wohnung auf dem Markt aussuchen können – dann spiele die Qualität der Architektur eine wichtige Rolle.
Wie steht es um die Finanzierung und Nachfrage bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen? Die globalen Konjunktursorgen und die Reaktionen der Notenbanken wirken sich bis in die Schweiz aus. Letzte Woche haben etliche Anbieter von Hypotheken ihre Zinsen gesenkt: Die durchschnittlichen Zinssätze betragen für Festhypotheken nun 1,602 Prozent (bei einer Laufzeit von 15 Jahren), 0,947 Prozent für 5 Jahre. Da müsste man doch mit dem nötigen Eigenkapitalanteil auf dem mit 0 Prozent verzinsten Bankkonto «zuschlagen»?
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste: Wie sieht die Zinsbelastung in fünf Jahren aus? In Bezug auf die Tragbarkeit einer Hypothek spielt das aktuell tiefe Zinsniveau keine Rolle. Einen Kredit für das Eigenheim gibt es nur, wenn es auch bei einem Zinsniveau von 4,5 bis 5 Prozent finanzierbar bleibt.