
Ach Kinder, wie die Zeit vergeht!
Man sagt, an Kindern sieht man, wie die Zeit vergeht. Das stimmt. Das Schöne ist: Diese Zeitmessung ist eine sehr positive. Die Kinder sind grösser geworden. Sie gehen nun schon in die Spielgruppe, den Kindergarten, die Schule. Sie lernen zu lesen oder bringen plötzlich Rechenaufgaben nach Hause, die die Eltern nicht mehr lösen können. Diese Entwicklungen machen alle im Umfeld der Kinder stolz: Eltern, Grosseltern, Urgrosseltern, Tante, Onkel und Gotti und Götti. Und natürlich die Kinder selbst.
Eine weniger positive Zeitmessung habe ich kürzlich erlebt, als ich wegen eines Artikels über das Gelände der Alten Kantonsschule Aarau gelaufen bin. Vieles war noch so wie damals: Die in den Farben der Verbindungen bemalten Bänkli, die Wiese unter den Bäumen, auf der wir unser Mittagessen genossen haben, sobald es das Wetter einigermassen zuliess. Und natürlich die Gebäude: Das «Aquarium» oder das altehrwürdige Hauptgebäude. Doch einiges fehlte auch. Die Telefonkabine beispielsweise, von der aus ich in Vor-Smartphone-Zeiten mein Visum für Australien organisiert habe oder die Mensa, die damals fast keiner freiwillig betreten hat – nicht nur wegen des schrecklich stinkenden Ginkgo-Baumes, der direkt daneben stand. Auch der Blick durch die Fenster der Schulzimmer war kein vertrauter. Viele unserer Lehrer sind längst pensioniert und Schulfächer, die wir noch besucht haben, gibt es in der Zwischenzeit gar nicht mehr.
So sinnierend bin ich weitergelaufen, bis ich da stand, wo ich hinwollte: beim Lehratelier für Modegestalterinnen. Die Frage, wo genau das Atelier untergebracht ist, erübrigte sich schnell: In der ehemaligen Bibliothek der Kantonsschule. Ich schluckte leer und fragte nach dem Termin nach, wie lange das Atelier denn schon in diesen Räumlichkeiten sei. «Seit gut zehn Jahren», war die Antwort und ich schluckte nochmal. Und da fiel es mir siedend heiss wieder ein: Die Klassenzusammenkunft vor zwei Jahren hat anlässlich unseres Eintritts in die Kantonsschule stattgefunden. Der erste Tag an der Kanti – das war vor 22 Jahren. In Zukunft werde ich die Zeit darum wieder am Wachstum meiner Kinder messen. Das ist weniger deprimierend.