Die SVP muss aufpassen, dass sie nicht auf einen zweiten Fall Maudet zusteuert

Es war eine denkwürdige Medienkonferenz, zu der gestern die SVP des Kantons Aargau im Gasthof zum Schützen lud. 16 Medienleute waren nach Aarau gekommen, um sich in Sachen Franziska Roth aufdatieren zu lassen – ein «selten grosser Auflauf», wie SVP-Präsident Thomas Burgherr lakonisch bemerkte. Das Thema macht auch national Schlagzeilen.

Die Regierungsrätin und Gesundheitsdirektorin ist seit ihrem Amtsanritt in der Kritik. Mit dem Departement Gesundheit und Soziales (DGS) sei der Neugewählten ein sehr schwieriger Job zugefallen, hielt Burgherr fest. Das DGS habe von einem «Wohlfühlmodus» in einen Dienstleistungsmodus überführt werden müssen – ein kleiner Seitenhieb Richtung Susanne Hochuli, der Vorgängerin von Franziska Roth. Soweit kam es aber aus Sicht der Partei nie. Der Aargauer SVP-Chef machte in aller Deutlichkeit klar, dass das DGS unter der neuen Chefin eher in einen Chaosmodus versetzt wurde. Die Lage sei prekär, leider.

Schon vor Amtsantritt habe die SVP Aargau versucht, die neu gewählte Regierungsrätin mit «Ratschlägen, Hilfestellungen und persönlichen Gesprächen zu unterstützen» – offenbar hatte man erkannt, dass das nötig war.

Burgherr betonte gestern, Roth sei «aus einem grösseren Kandidatenfeld nach einem intensiven Prozess evaluiert und als Regierungsratskandidatin vorgeschlagen» worden. «Man war überzeugt, mit ihr die richtige Person für das anspruchsvolle Amt zur Wahl zu empfehlen.» Als Bezirksgerichtspräsidentin sei sie mit Führungsaufgaben betraut gewesen. In ihrer früheren Tätigkeit beim Kanton Zürich habe sie «vertiefte Einblicke in die Gesellschaft und die Verwaltung» gehabt. «Dass sie als politische Quereinsteigerin hingegen am Anfang etwas Zeit braucht, sich mit den politischen Abläufen und Gepflogenheiten bekannt zu machen, war klar.» Diese Tatsache habe man vielleicht unterschätzt, räumte Burgherr ein.

Natürlich ist man im Nachhinein immer schlauer. Aber egal, welche Wendung der Fall noch nimmt: Die SVP, und nicht nur sie, kann daraus einiges lernen.

Regierungsräte haben höchst anspruchsvolle Aufgaben. Ein Departement zu führen ist ein knochenharter Management-Job, der ausserordentliche Ansprüche an Führungspersönlichkeiten stellt. Den unzähligen Anspruchsgruppen einigermassen gerecht zu werden ist ein Kunststück, das Talent, Souveränität, viel, viel Fleiss und Durchhaltewillen erfordert. Die SVP spricht von einem intensiven Auswahlwahlprozedere, dem sich Roth habe stellen müssen. Redet sich die Parteileitung die Ausgangslage da nicht etwas schön? So etwas wie ein unabhängiges Assessment gab es auf jeden Fall nicht. Wer jemals ein solches absolviert hat, weiss: Die Hosen können danach ziemlich kurz sein.

Erfahrene Assessoren können Stärken und Schwächen von Führungspersönlichkeiten mit geradezu erschreckender Präzision analysieren. Verborgen bleibt wenig bis nichts.

Selbst viel kleine Unternehmen besetzen Top-Jobs erst, nachdem sie Kandidatinnen und Kandidaten auf Herz und Nieren geprüft haben. Das Aargauer Gesundheitsdepartement mit seinen 400 Angestellten ist aber kein Kleinbetrieb, wie wir wissen. Franziska Roth hat von allen Regierungsräten den vielleicht schwierigsten Job.

Wie gesagt: Im Nachhinein ist man schlauer – drängend ist nun die Frage, ob sie die Kurve kriegen kann.

Obwohl sich die SVP gestern offiziell ein letztes Mal hinter ihre Regierungsrätin stellte, ist der Bruch zwischen ihr und der Partei mit Händen zu greifen. Ein Treffen, das am 12. Februar für den 9. März vereinbart worden war, sagte sie kurzfristig ab – vertrauensvolle Zusammenarbeit sieht anders aus. Nach der gestrigen Pressekonferenz gab sich Roth in Kampflaune. Das sei eine Veranstaltung der SVP gewesen, nicht ihre. Dass das Departement kurz vor dem Kollaps stehe und der Regierungsrat um fünf vor Zwölf habe einschreiten müssen – diese Darstellung sei ganz «einfach dummes Zeug». Und überhaupt, ein Rücktritt sei ausgeschlossen. Zwischen den Wahrnehmungen der Partei und denen ihrer Regierungsrätin liegen Welten. «Das Funktionieren der Verwaltung ist in Frage gestellt. Wichtige Geschäfte drohen zu scheitern», analysiert die SVP. «Von den Sachgeschäften her kann man mir nichts vorwerfen», kontert Roth.

Eine Partei, die sich immer deutlicher distanziert, eine Regierungsrätin, die beratungsresistent scheint und immer deutlicher auf das Argument des Gewähltseins pocht: Dieses Muster kennen wir aus Genf. Die SVP muss aufpassen, dass sie nicht auf einen zweiten Fall Maudet zusteuert.