Xamax gegen Aarau – oder Beständigkeit gegen Totalsanierung

Der FC Aarau hat heute Abend in Neuenburg die Chance, Historisches zu schaffen: Seit dem Nationalliga-A-Aufstieg 1981 gab es erst einmal drei Siege in den ersten drei Spielen, in der Saison 2008/09, an deren Ende Rang 5 in der Super League resultierte. In den bis dato neun Spielzeiten in der Challenge League (2010-2013 und seit 2015) gelang dieses Kunststück noch nie.

Aber: Die letzte Hürde bis zum Eintrag in die Geschichtsbücher könnte höher nicht sein: Mit Xamax wartet der neben Aarau bislang einzige verlustpunktlose Ligakonkurrent. Das Duell hätte eigentlich am 23. Juli stattfinden und die Saison 2021/22 eröffnen sollen, musste wegen kniehohem Wasser im Parkhaus der am Neuenburgersee angrenzenden Maladière jedoch kurzfristig verschoben werden.

Totalumbruch ist kein Killerkriterium

Auf dem Weg zur bestechenden Frühform wählten der FCA und Xamax unterschiedliche Wege: Neun Transfers, drei Zugänge und sechs Abgänge, tätigte Aarau in der Sommerpause – die wenigsten aller zehn Challenge-League-Klubs. Xamax steht mit 28 Mutationen (12 Zugänge, 16 Abgänge) am anderen Ende der Skala.

Der Aktionismus der Neuenburger auf dem Transfermarkt ist eine Folge der miserablen vergangenen Saison – nur dank der um drei Treffer besseren Tordifferenz als Chiasso folgte ein Jahr nach dem Abstieg aus der Super League nicht der direkte Absturz in den Amateurfussball.

Die Momentaufnahme beweist, dass ein Totalumbruch nicht zwingend ein Killerkriterium für eine bestechende Frühform sein muss. Xamax hat trotz bislang nur zwei absolvierten Spielen die beste Tordifferenz (+5) – und mit Vaduz (2:1) sowie Kriens (4:0) waren die bisherigen Gegner alles andere als Fallobst.

Wird Xamax in dieser Saison seinem klingenden Namen wieder gerecht und redet ein Wörtchen um den Aufstieg mit? Die nächsten Monate werden die Antwort geben, beim FC Aarau indes hat man den heutigen Gegner trotz Totalumbruch schon jetzt auf der Liste der härtesten Konkurrenten auf dem Weg zum Saisonziel, das ja bekanntlich mindestens die Barrage-Qualifikation, anders gesagt der Aufstieg ist.

Die Winnermentalität als Folge der Beständigkeit

Die Basis ist gelegt: Mit zwei Siegen gegen Schaffhausen (2:0) und in Thun (2:1) ist Aarau resultatmässig so gut aus den Startlöchern gekommen wie nie in den vergangenen sechs Spielzeiten, in denen jedes Mal mit der Rückkehr in die Super League geliebäugelt wurde, die Ambitionen nach schlechtem Start jedoch früh gezügelt werden mussten.

Was neben dem Punktemaximum Hoffnung macht: Das Team von Trainer Stephan Keller strahlt eine Siegermentalität aus. In beiden Partien erzwang man das bessere Ende für sich, obwohl der FC Schaffhausen und der FC Thun phasenweise den drei Punkten näher waren.

Diese Qualität, auch ausgeglichene Spiele zu gewinnen, ist eine Folge der Beständigkeit: Von den in den ersten zwei Spielen eingesetzten 16 Akteuren trugen nur zwei in der vergangenen Saison nicht das FCA-Trikot, Innenverteidiger Jan Kronig und der zentrale Mittelfeldspieler Allen Njie.

Beide haben sich so schnell und gut eingefügt, dass fehlende Bindung zu den bewährten Kräften nicht auszumachen ist. Ein Beleg dafür, dass der «neue» FC Aarau Spieler nicht mehr nur aufgrund ihres Namens verpflicht, sondern ausgehend von einem im Vorfeld gezeichneten Profil, das der Mannschaft in den Augen der sportlichen Führung fehlt.

Aarau fährt also mit breiter Brust nach Neuenburg, woran auch die Statistik ihren Anteil hat: Alle vier Duelle in der vergangenen Saison konnte man für sich entscheiden. Wobei: Allzu viel einbilden sollten sich die FCA-Spieler darauf nicht. Denn auf dem heutigen Gegner steht zwar immer noch Xamax drauf, drinnen sieht es inzwischen jedoch ziemlich anders aus.