Respektlos, und ohne Vertrauen: Regierungsrätin Roth wird harsch kritisiert – SVP eilt ihr nicht zu Hilfe

Die Aargauer Gesundheitsdirektorin Franziska Roth (SVP) ist seit ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren wiederholt in die Kritik geraten. Es ist offensichtlich: Sie tut sich mit dem politischen Establishment schwer und dieses sich umgekehrt mit Roth. An der Sitzung des Grossen Rats wurde sie frontal angegriffen. FDP-Fraktionspräsidentin Sabina Freiermuth verlas im Namen von FDP, CVP und Grünen eine Fraktionserklärung. Diese hörte sich die Aargauer Regierung in corpore an – auch Franziska Roth war zugegen, obwohl sie am heutigen Tag keines der Geschäfte betraf.

Freiermuth nahm ein Statement auf der Homepage des Departements Gesundheit und Soziales als Auftakt ihrer Rede: «Der Mensch steht im Zentrum der Arbeit im Departement Gesundheit und Soziales.» Die Arbeit ihres Departements basiere auf den Grundlagen «der Nachhaltigkeit und Transparenz, des Vertrauens und der Wertschätzung. Dieses Arbeitsverständnis wenden wir intern an, aber auch gegenüber unseren Anspruchsgruppen und Partnern».

Freiermuth macht klar: «Das sind hehre Worte. Zurzeit vermissen wir Grossrätinnen und Grossräte dazu den Tatbeweis.»

Der umstrittene TV-Auftritt

Die Grossrätin geht auf die Sendung «TalkTäglich» auf «Tele M1» mit Roth als Gast ein, und hielt ihr die eigenen Aussagen vor. Sie habe gesagt:

• Politiker verfolgten versteckte Agenden, seien intrigant und nicht der Sache verpflichtet.

• Politiker reichten unnütze und unsinnige Vorstösse ein, die dem Bürger nichts brächten.

• Politiker beschäftigten die Verwaltung unnötig und wollten gleichzeitig Stellen streichen.

Diese Aussagen würden vor allem eines vermissen lassen: «Die angesprochene Wertschätzung.» Im Gegenteil würden sie Geringschätzigkeit ausdrücken. Die Ratsmitglieder würden diese Worte als respektlos erachten. Auch die äusserst späte Information über ein Gerichtsverfahren, das die Hauptziele der anstehenden Spitalgesetzrevision gesamthaft in Frage gestellt habe, oder der überfallartig verschickte Bericht zum PwC-Gutachten würden eine vertrauensvolle Zusammenarbeit erschweren.

«Das liegt in Ihrer Verantwortung»

Freiermuth richtete sich direkt an Roth: «Frau Regierungsrätin, wir sind allesamt Milizpolitiker. Das heisst, für eine Kommissionssitzung nehmen wir uns einen halben Tag frei. Und wir bereiten uns dafür an Feierabenden oder am Wochenende vor. Wir sind darauf angewiesen, dass wir die Entscheidungsgrundlagen rechtzeitig und vollständig erhalten. Das liegt in Ihrer Verantwortung.»

In den Fachkommissionen fände die politische Hauptarbeit statt. Zusammen mit dem Regierungsrat würden die Geschäfte dort unter dem Schutz der Vertraulichkeit diskutiert, und es würden einvernehmliche Lösungen gesucht und gefunden. Damit dies erfolgreich geschehen könne, brauche es diese Vertrauensbasis.

Roth müsse sich darauf verlassen können, dass das Kommissionsgeheimnis eingehalten werde. Im Gegenzug müssten die Kommissionsmitglieder darauf zählen können, dass sie wahrheitsgetreu, vollständig und rechtzeitig informiert würden.

Freiermuth: «Hier kommen wir wieder zum Arbeitsverständnis in Ihrem Departement. Es basiert wie oben ausgeführt auf Transparenz, Vertrauen und Wertschätzung.»

Vertrauen ist nötig

Im Gesundheitswesen stünden dringende und richtungsweisende Reformen an, so Freiermuth. Damit diese gelängen, brauche es zwischen den Institutionen Regierungsrat und Grossrat eine von Offenheit, Vertrauen und Respekt geprägte Zusammenarbeit.

Der Kanton Aargau und seine Menschen hätten dies mehr als verdient. Freiermuth kommt auf eine Aussage im TV-Interview zu sprechen. Dort sagte Roth, sie wolle die Zusammenarbeit mit der Kommission GSW verbessern. Die Politik sei eine andere Welt als das Gericht. Offenbar sei das Reden wichtiger, als sie dies zu Beginn eingeschätzt habe.

Freiermuth bemüht den früheren italienischen Ministerpräsidenten und ehemaligen Präsidenten der UN-Generalversammlung, Amintore Fanfani, mit dem Zitat: «In der Politik ist es wie im Konzert: Ungeübte Ohren halten das Stimmen der Instrumente schon für Musik.» An Roth gewandt, appelliert Freiermuth: «Frau Regierungsrätin Roth, wir laden Sie heute ein: Hören wir auf, unsere Instrumente zu stimmen. Beginnen wir dafür, zusammen Musik zu spielen.» Damit hatte Freiermuth geschlossen.

SVP lässt Roth im Regen stehen

Keine Fraktion ergriff die Gelegenheit, ein weiteres Wort an Roth zu richten. Bemerkenswert: Die SVP verzichtete darauf, ihre Regierungsrätin zu verteidigen.