
Ökonomisch indizierte Medizin
Wie funktioniert unser heutiges Gesundheitswesen aus wirtschaftlicher Sicht? Holzschnittartig dargestellt haben wir es mit einem Nachfragemarkt zu tun. Bei ernsten Erkrankungen oder Unfällen liegt das in der Natur der Sache. Liest man aber, dass verschiedentlich Gelenkprothesen ohne wirklich zwingende Notwendigkeit eingesetzt wurden, dann kommt ein grosses Fragezeichen auf. Jenes, ob das Geschäft ohne Einflussnahme auf die Patientinnen und Patienten derart florieren würde. Haben wir es mit einer ökonomisch indizierten Mengenausweitung zu tun? Unbestritten: Das Volumenwachstum lässt sich kaum bremsen. Wir werden immer älter, Medizin und Pharmakologie machen laufend grosse Fortschritte, die bezahlt sein wollen.
Müssen die Kosten aber zwingen parallel zum Fortschritt stiegen? Vor 30 Jahren kostete ein PC, der wenig konnte, 4000 Franken – teuerungsbereinigt 6000 Franken, während ein aktuelles Modell ab 700 Franken zu haben ist. Weshalb ist das im Gesundheitswesen anders? Ein Grund dürfte darin liegen, dass von den Pharmafirmen über die Spitalärzte bis hin zu den Versicherungen jeder Akteur primär seine Interessen verfolgt – der Blick auf das grosse Ganze, die Steuerung des Systems, fehlt. Handeln muss hier die Politik.
So sagt Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset Fehlanreizen den Kampf an. Die Stossrichtung ist gut. Nur: Sind Globalbudgets – anstelle einer Fallkostenpauschale – das Allheilmittel? Was ist, wenn das Kontingent für eine bestimmte Behandlung aufgebraucht ist? Was hier droht, heisst Qualitätsverlust und Zweiklassenmedizin. Wie in Grossbritannien – wer das Geld hat, weicht dort den öffentlichen Spitälern aus und sucht eine Privatklinik auf. Wer das in der Schweiz künftig kann, der hat wirklich viel Geld.
Sind Sie über 60 Jahre alt und privat versichert? Hatten Sie letzten Herbst Post von Ihrer Krankenkasse? Die Mitteilung, dass Sie nun einer «geschlossenen Versicherung» angehören, für welche sich keine neuen Mitglieder mehr finden lassen. Junge Leute geben für solche Versicherungen kein Geld mehr aus – die Prämien für die verbliebenen Seniorinnen und Senioren werden Schritt für Schritt steigen und für viele finanziell untragbar werden.
Was läuft auf der kantonalen Ebene? Letzte Woche hat uns der Regierungsrat mit einer Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC) rund um das Kantonsspital Aarau (KSA) – dessen Führung und Finanzierung – überrascht. Das Spital Zofingen ist Teil des KSA (Ausgabe vom 24. Januar). Wie sich die lokale Politik und Ärzteschaft zu den Zielen äussert, ist diese Woche eines der Themen in Ihrer Zeitung. Erste Reaktionen hat das Papier bereits ausgelöst – nicht wegen seines Inhalts. Gegenwärtig läuft die Anhörung zu einer Revision des kantonalen Spitalgesetzes. Die FDP Aargau moniert: «Der Zeitpunkt der Publikation erstaunt – denn kurz vor Vernehmlassungsende der Spitalgesetzrevision zeigt dieser Bericht wesentliche Schwachstellen des vorgeschlagenen Gesetzes auf. So bleiben in der Anhörungsvorlage zentrale Empfehlungen der Beratungsfirma PwC unbeachtet.»