Littering: Der tägliche Kampf der Rothrister Ghüderwehr

PET-Flaschen, Zigarettenstummel, Einweg-Trinkbecher, Essensreste und vieles mehr findet Esther Marbach auf ihren Sammeltouren. Die Rothristerin ist jeden Tag freiwillig unterwegs, um Abfall einzusammeln. Zwei übervolle Plastiksäcke und mehr transportiert sie nach ihren Touren auf ihrem Velo Richtung Rothrister Werkhof. «Es ist unfassbar, was Autofahrer alles achtlos aus dem Fenster werfen», sagt die 65-Jährige und schüttelt den Kopf.

Zu Fuss und mit dem Velo ist die Rothristerin seit mehreren Jahren aus eigenem Antrieb unterwegs. «‹Fötzeln› und mich in der freien Natur bewegen, liegt mir viel mehr als die Hausarbeit», sagt Esther Marbach, lacht und betont: «Ich mache dies der Natur zuliebe und nicht der Gemeinde.» Die begeisterte Berggängerin hat bei ihren Wanderungen immer Handschuhe und leere Plastiksäcke dabei, um den rumliegenden Müll mitzunehmen. «Ich kann einfach nicht anders, ich muss es aufsammeln», sagt die sportliche Frau, die im Büro und zuletzt in der Altenpflege gearbeitet hat, und fährt fort: «Es ist eine sinnvolle Tätigkeit, die mir Freude macht.» Obwohl sie entlang der Hauptachse Bern-Zürich und an den Ein- und Ausfahrten der Autobahn nicht nur auf PET-Flaschen, Essensreste, Zigarettenpackungen, sondern auch schon auf volle Windeln und gefüllte Abfallsäcke gestossen ist. Im letzten Jahr hat sie auch zwei Mal einen Ausweis und einmal ein Portemonnaie gefunden. Insgesamt hat sie 55 Franken Finderlohn bekommen. Keinen Rappen dagegen gab es vom Besitzer, dessen geklauten Töff sie in einem Wald entdeckt hatte. «Die Menschen sind halt verschieden», sagt sie, zuckt mit den Schultern und betont sichtlich erregt: «Beim zunehmend rücksichtslosen Umgang mit der Natur hört mein Verständnis aber auf.»

Müll gesellt sich gerne zu Müll
Esther Marbachs Anti-Littering-Aktion hat auch den Gemeinderat Rothrist zum Handeln bewegt. Im Juni 2018 rief er Interessierte zum freiwilligen Mitmachen auf. Sechs Personen haben sich seither gemeldet und sind alleine oder zu zweit unterwegs. Für den Gebrauch haben sie Handschuhe, einen Greifarm, eine Leuchtweste sowie Rothrister Abfallsäcke erhalten. Auch eine spezielle Jacke mit der Abkürzung RFO hat jedes Mitglied der Abfallsammelcrew. «RFO steht für Rothrister Fötzler Organisation», sagt Hans Rudolf Sägesser und strahlt verschmitzt über das ganze Gesicht. Der Rothrister Gemeinderat erklärt dann, dass die neuen Jacken ausgemusterte Restbestände des Regionalen Führungsorgans Zofingen, kurz RFO, seien und er diese für die Freiwilligen gesichert habe. «Wir möchten den Helfern unsere Wertschätzung zeigen», sagt Sägesser und betont: «Ohne die private Initiative geht es nicht.» Dem stimmt auch Walter Braun zu. Der Interimschef des

Rothrister Werkhofs hat mit seinen sieben Mitarbeitern alle Hände voll zu tun. «Mit der alltäglichen Arbeit sind sie mehr als ausgelastet», sagt Gemeinderat Sägesser. Er erklärt, dass das Leeren der Robidog-Behälter bereits ausgelagert wurde. Seit ein paar Jahren macht dies ein Team der Rothrister Arbeits- und Wohngemeinschaft Borna und stellt den Aufwand in Rechnung.

Hans Rudolf Sägesser ist überzeugt: «Was die Abfallsammelcrew macht, ist vorbildlich und willkommen, weil es als schönen Nebeneffekt den Zusammenhalt in der Gemeinde fördert.» Vor allem habe die mühevolle Arbeit eine nachhaltige Wirkung. «Denn je sauberer die Umgebung ist, desto grösser ist die Hemmschwelle, Abfall wegzuwerfen.» Dies untermauert auch eine ETH-Studie, die im Auftrag der Interessen-Gemeinschaft «Saubere Umwelt» gemacht wurde.

Esther Marbachs unermüdliche Eigeninitiative hat weitere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer animiert, bei der vom Rothrister Gemeinderat initiierten Sammelgruppe mitzumachen. Seit letztem Juni haben Röbi Bär und Ursula von Burg während 133 Stunden Abfälle gesammelt. «Es ist wichtig, dass ich als Grossmutter und Urgrossmutter als gutes Beispiel vorangehe», sagt Ursula von Burg. Taten statt Worte, dies treibt auch die anderen Helfer an, die im Alter zwischen 64 und 75 Jahren sind.

Langfristige saubere Wirkung
«Mit ihrem Engagement setzen sie ein sichtbares Zeichen, dass man auch ohne Gegenleistung etwas für die Gemeinschaft und den Erhalt der Natur tun kann», unterstreicht Gemeinderat Sägesser. Wie im letzten Jahr sollen auch heuer Asylbewerber als Unterstützung für den Werkhof gegen Littering und für Arbeiten in der Landschaftspflege mithelfen können. «Damit Rothrist sauber bleibt, braucht es jeden Tag einen Clean-up-Day, denn so wird das Bewusstsein für die Littering-Problematik in der Bevölkerung sichtbar gefördert, was langfristig zu mehr Sauberkeit führt», sagt Hans Rudolf Sägesser und betont: «Dazu braucht es jeden, denn nur gemeinsam sind wir stark.» Von der Gemeinde wurden Vereine angeschrieben. Gemeinderat Sägesser hat schon im Jugendtreff und in der Schule Werbung gemacht und will es wiederholen, um auch jüngere und junge Menschen für die Rothrister Fötzler-Organisation zu begeistern.

586 Stunden war Esther Marbach im letzten Jahr sammelnd unterwegs. Mit ihrem Velo hat die rüstige Pensionärin 3193 Kilometer in Rothrist und umliegenden Gemeinden zurückgelegt. «Es ist eine sinnvolle Tätigkeit, die mir Freude macht», erklärt Esther Marbach bescheiden ihr unermüdliches Engagement. Im Jahr 2018 hat die Rothristerin alleine 24 654 Gebinde aufgehoben. Davon waren 8293 PET-Flaschen, 14 880 Alu-Dosen und 1481 Glasflaschen.