
Hält der Burgfrieden in der Rückrunde? Der brutale Konkurrenzkampf beim FC Aarau
Die Ansage von Steven Deana im vergangenen November in der «AZ» war unmissverständlich: «Ich bin so fit wie nie. In der Rückrunde will ich spielen.» Problem nur: Das will auch Djordje Nikolic, den der FCA im vergangenen Sommer wegen Deanas Handverletzung ins Brügglifeld lotste. Nikolic, vom FC Basel ausgeliehen, spielte stark und war einer der Hauptgründe für den Aufwärtstrend im Spätherbst.
Die Goalieposition steht stellvertretend für den brutalen Konkurrenzkampf im FCA-Kader. Abgesehen vom langzeitverletzten Miguel Peralta sind alle Spieler im regulären Mannschaftstraining. Bleibt dies bis zum Rückrundenauftakt am 1. Februar gegen Wil so, steht Trainer Patrick Rahmen vor einer heiklen Aufgabe: Er muss 8 von 26 Spielern mitteilen, dass sie auf der Tribüne Platz nehmen müssen, statt in der Startelf zu stehen oder mindestens auf der Ersatzbank zu sitzen. Was die Sache erschwert: Bei diesem Oktett wird es sich nicht etwa um gefühlte Junioren handeln, die bei den Profis reinschnuppern. Darunter werden gestandene Profis und von Super-League-Klubs ausgeliehene Spieler sein, deren Selbstverständnis und das ihrer Berater es ist, bei einem Challenge-League-Klub zu den Titularen zu gehören. Es kam bereits im Herbst vor, dass Berater beim FC Aarau nachfragten, warum ihre Schützlinge nicht mehr Spielzeit erhalten. Diese Anrufe dürften sich in der Rückrunde mehren.
«Haben jetzt eine Leistungskultur»
Frage an den Trainer: Ist der Burgfrieden beim FC Aarau in Gefahr? Antwort Patrick Rahmen: «Nein, davor habe ich keine Angst. Das sage ich mit der Überzeugung, dass sich in einer ambitionierten Mannschaft nicht immer alle in den Armen liegen müssen. Für ihre Entwicklung ist es wichtig, dass die Spieler lernen, gegen Widerstände anzukämpfen. Das ist Teil einer Leistungskultur. Die haben wir jetzt beim FC Aarau, damit müssen die Spieler klarkommen.»
Die Gewissheit, auf jeder Position über zwei praktisch gleichwertige Spieler zu verfügen, die hat Rahmen nun. Seine Hauptaufgabe neben der taktischen Einstellung wird es sein, das mit Ansprüchen auf Spielzeit vollgepumpte Kader zu moderieren.
«Ich pflege mit den Spielern einen engen Austausch. Jeder weiss, woran er ist. Und wenn nicht, steht die Tür zu meinem Büro offen», sagt Rahmen. Dialog statt Diktatur. Für den FCA-Trainer ein alternativloser Führungsstil: «Ein Spieler ist auch dann wichtig, wenn er weniger oft zum Einsatz kommt. Das kann ich ihm nur im Gespräch vermitteln.»
Höhenflieger haben Vorsprung
Wie üppig das Kader mittlerweile aufgestellt ist, wird am dritten Tag im Trainingslager in Belek deutlich: An jenem Sonntag trägt der FC Aarau zwei Testspiele aus. Gegen Dynamo Dresden (1:0) und den FC Sion spielen je elf Spieler 90 Minuten. Und am Abend ist klar: Auch die vermeintlich zweite Garde, die Sion mit 7:1 vom Platz fegt, taugt zum kompetitiven Team in der Challenge League. Finden sich darin doch Namen wie Steven Deana, Marco Thaler, der beste FCA-Torschütze Stefan Maierhofer, Petar Misic, Patrick Rossini und Nicolas Schindelholz, die in Hochform wohl bei allen Ligakonkurrenten Stammspieler wären. Der etatmässige Captain Gianluca Frontino und Goran Karanovic (beide mit Trainingsrückstand) gehören notabene nicht zu dieser Auflistung. Die Prominenz im Kader wird durch eine Zahl eindrücklich auf den Punkt gebracht: 1179 Super-League-Einsätze stecken in den Beinen der FCA-Profis – kein anderer Challenge-Ligist hat mehr.
Aus den letzten sieben Partien der Vorrunde holte der FC Aarau 19 von 21 möglichen Punkten. Hauptgrund: Rahmen hatte bis auf vereinzelte Aussenpositionen seine Stammformation gefunden. Er lässt sich zwar nicht in die Karten blicken, aber klar dürfte sein: Die Höhenflieger vom Spätherbst haben einen Vorsprung gegenüber ihren Konkurrenten. Rahmen sagt: «Die Mittelachse mit Bürgy, Zverotic und Jäckle steht. Auf allen anderen Positionen herrscht offener Konkurrenzkampf. Am Ende des Trainingslagers wird die ungefähre Startelf gegen Wil stehen.» Bis dahin hat auch Steven Deana Zeit, seine Ansage vom November in die Tat umzusetzen.