
Vom Traumberuf und seiner Realität
Was wollten Sie als Kind werden? Astronautin? Feuerwehrmann? Lehrerin? Und was ist aus Ihrem Traum geworden? Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich meinen Traumberuf ausübe. Der Kontakt mit Menschen, das Meistern von unerwarteten Situationen, aber auch die Dokumentation des täglichen Geschehens – das und noch viel mehr macht den Reiz am Journalismus aus. Könnte ich den Lauf der Welt zurückdrehen, ich würde vermutlich wieder den gleichen Lebensweg einschlagen.
Allerdings, wenn ich junge Menschen treffe, die ebenfalls Journalist werden möchten, frage ich mich manchmal schon, ob ich ihnen mit gutem Gewissen meinen Beruf schmackhaft machen darf. Wer weiss schon, ob es in fünf oder zehn Jahren noch eine gedruckte Zeitung gibt? Im Internet oder im Fernsehen wird der Journalismus vermutlich überleben. Aber wird dies noch der Journalismus sein, den wir heute kennen? Und: Wird die journalistische Arbeit in Zukunft überhaupt noch so finanziell gewürdigt, dass der Journalist seinen Lebensunterhalt damit finanzieren kann? Diese Fragen lassen mich zweifeln, ob ich jungen Menschen tatsächlich empfehlen soll, meinen Beruf zu ergreifen. Vielleicht gibt es ja auch eine Alternative.
Wenn ich zurückdenke, hatte ich früher auch andere Berufswünsche. Lehrerin wäre ich gerne geworden. Angesichts der momentanen Knappheit von Lehrpersonen wäre dies vielleicht keine schlechte Entscheidung gewesen. Ob der Job für mich aber genauso erfüllend wäre wie der Journalismus, ist eine andere Frage. Und bevor ich Lehrerin werden wollte, hatte ich ein ganz anderes Berufsziel: Prinzessin. Naja, welches Mädchen, welcher Junge möchte nicht irgendwann mal Prinzessin oder Prinz werden oder gar Königin oder König? Ich kenne einen Buben, der das nicht will. Kürzlich hörte er ein Märchen, in dem die Mutter unbedingt will, dass ihr Sohn König wird. Da fragte ich meinen Sohn, der schon im Bett lag, ob er denn auch mal König werden will. Da schaute er mich mit grossen Augen an und sagte: «Nein, Mama, ich werde Feuerwehrmann.» Mein Sohn, der Realist.