Eifrige Politiker verkennen, wo der Migrationspakt wirkt

Die letzten Flüchtlingswellen Richtung Europa sind verebbt. Die Asylzahlen sind in der Schweiz aktuell tief. Die Migrationsdramen spielen sich in anderen Weltgegenden ab. Dennoch sehen viele bürgerliche Politiker neue Migrations-Gefahren auf uns zukommen. Nun sind es die UNO, das EDA, die Diplomaten. Es ist der Migrationspakt, der die Gemüter erhitzt. Ein Dokument, zu dem sich Staaten politisch bekennen, aber nicht rechtlich verpflichten. Eine Art Handbuch für eine bessere globale Migrationspolitik. Doch dieser Pakt wird nun von SVP- und FDP-Politikern zu einer Art UNO-Recht auf freie Migration hochstilisiert. Das ist unredlich und politisch auch nicht allzu clever.

Wenn National- und Ständeräte in den letzten Jahren über Asyl- oder Ausländergesetze debattierten, hörten wir oft: Die Schweiz kann die Probleme der Migration nicht alleine lösen, das müsse man global angehen. Und nun ging also unser Aussendepartement hin und hat in der UNO federführend an einem solchen globalen Lösungsansatz gearbeitet. Hat dabei notabene viele Grundsätze der Schweizer Migrationspolitik auf internationaler Ebene verankert. So sollen der Menschenhandel und die Schleuser grenzüberschreitend bekämpft werden. Auch sollen sich Staaten dazu bekennen, ihre Bürger auch wieder zurückzunehmen. Und ein sicheres und koordiniertes Grenzmanagement wird thematisiert.

Eigentlich könnten also die bürgerlichen Nationalräte in der heutigen Debatte zum Migrationspakt dem EDA zujubeln. Doch sie nehmen wohl viel lieber die eine oder andere einzelne freiwillige Massnahme dieses Paktes heraus und taxieren sie für die Schweiz als untauglich oder unnötig und verkennen dabei die internationale Dimension dieses Paktes. Der allergrösste Anteil der globalen Migration findet ausserhalb der Schweiz statt. Von weltweit rund 214 Millionen Migrantinnen und Migranten wanderten im letzten Jahr gerade mal 0,08 Prozent in die Schweiz ein.

Die eifrigen Schweizer Parlamentarier verkennen also, wo der Pakt in erster Linie seine Wirkung entfalten könnte und sollte. Wenn zum Beispiel durch die Grundsätze, wonach auch Frauen ungehinderten Zugang zu Finanzdienstleistungen und zu sozialen Grundleistungen haben sollen, die Stellung von Migrantinnen in afrikanischen Ländern verbessert wird, hat dies möglicherweise auch Auswirkungen auf die globalen Migrationsströme. Vielleicht flüchten weniger in Richtung Norden, wenn die Ursachen der Migration in den Herkunftsländern bekämpft werden.

Natürlich darf das Schweizer Parlament sich intensiver mit dem Migrationspakt befassen, als es vorgesehen war. Die Parlamentarier sollten dabei aber ein klein wenig über den Tellerrand und die Landesgrenzen hinausschauen. Denn dieser Migrationspakt adressiert nicht nur die Schweiz, er adressiert eben auch alle andern Länder. Vielleicht sollten sich die Politiker mal mit den möglichen positiven Wirkungen des Paktes befassen und nicht gleich alles schlechtreden. Denn nationale Grenzen haben die Migration noch nie nachhaltig verhindert.