
Der Krieg ist aus! Aber wen interessiert das schon?
Montag, 11. November 1918. Ein bedeutender Tag. Zur elften Stunde trat an der Westfront ein Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien des Ersten Weltkriegs in Kraft. Das Zofinger Tagblatt vom Dienstag, 12. November, titelt: «Das Kriegsende. Unterzeichnung des Waffenstillstandes für die Westfront; Einstellung der Feindseligkeiten auf der ganzen Linie.» Der nüchterne Ton mag aus heutiger Sicht erstaunen, doch weiter im Text wird klar, weshalb: «Wir würden aufatmen, wenn – ja, wenn nicht im eigenen Lande an Stelle der Friedensglocken die Sturmglocken geläutet würden.» Mit dem Landesstreik droht Chaos. «In der Schweiz sind wir am Kreuzungspunkte zweier Wege angelangt. Vier Jahre und mehr lastete der Druck der Kriegswirkungen auf uns und hatte Teuerung, Krankheit und Verbitterung im Gefolge. Ein Teil dieser Verbitterung ist natürlich und verständlich durch die Notlage; ein Teil ist künstlich erhetzt durch politische Unterströmungen. Wir könnten heute das Ende aller Trübsal absehen, wenn nicht die Drohung mit dem Landesstreik den friedlichen Übergang in eine neue Zeit störte.»
Der Krieg ist vorbei! Die Schweiz war weder Schauplatz noch Beteiligte des Krieges. Dennoch sind die Auswirkungen auch hier spürbar. Die soziale Unzufriedenheit führt zum oben erwähnten Landesstreik, die schlechte Versorgung der Menschen begünstigt die Ausbreitung der auf der ganzen Welt wütenden Spanischen Grippe. In den November-Ausgaben des ZT von vor 100 Jahren findet sich eine grosse Anzahl Todesanzeigen, vor allem von Menschen zwischen 20 und 40 Jahren, viele von ihnen versehen mit dem Hinweis, dass die Person «an den Folgen der Grippe-Lungenentzündung» verstorben sei. Meine Gedanken gehen während der Lektüre über das Ende des Ersten Weltkrieges immer wieder zurück zu diesen Todesanzeigen. Ja, der Krieg war zu Ende. Doch änderte das für die meisten Menschen gar nichts: Der «Kalte Markt», einer der wichtigsten Märkte des Jahres in Zofingen, wurde wegen der grassierenden Grippe sogar abgesagt.