Warum der FCA-Trainer Patrick Rahmen noch im Amt ist

Die Bilanz von Marinko Jurendic nach elf Spielen in der Saison 2017/18: drei Siege, drei Remis, fünf Niederlagen. Die zwölf Punkte ergaben damals in der Tabelle den sechsten Rang. Die Bilanz von Patrick Rahmen nach elf Spielen in der Saison 2018/19: ein Sieg, ein Remis, neun Niederlagen. Mit vier Punkten liegt der FC Aarau abgeschlagen am Tabellenende. Auch bei zwei Siegen aus den nächsten Spielen gegen Wil und Chiasso wäre Aarau noch Letzter. Die These lautet: Marinko Jurendic wäre mit der Bilanz von Rahmen längst entlassen worden. Letzterer aber hat weiterhin das Vertrauen von Sportchef Sandro Burki und vom Klubpräsidium.

Jurendic hat die Kabine verloren

Marinko Jurendic war als Trainer ein Neuling im Profigeschäft. Er meinte, beim FC Aarau genau gleich arbeiten zu können wie in den drei Jahren zuvor beim Amateurklub SC Kriens. Als ehemaliger Ausbildner beim Schweizerischen Fussballverband vertraute Jurendic darauf, was in den Lehrbüchern stand. Und nicht auf sein Bauchgefühl.

Kein Sieg in sechs Ligaspielen, dazu das blamable Cup-Out gegen das unterklassige Echallens: Der FC Aarau kam auch vor einem Jahr schlecht aus den Startlöchern. Die Erkenntnis, dass sein Fleiss nicht fruchtet, machte Jurendic zunehmend unsicher. Er beging Fehler. Der grösste bestand darin, teils miserable Darbietungen nicht nur gegen aussen schönzureden, sondern auch intern die Spieler dafür zu loben: Die einen verstanden die Welt nicht mehr, die anderen suhlten sich in der Komfortzone.

Als der FC Aarau nach einem kurzen Zwischenhoch im Herbst wieder ins alte Fahrwasser geriet, war Jurendics Schicksal besiegelt. Er verlor die Kabine, wie es im Fussball-Jargon heisst, und das bedeutet: Der Grossteil der Mannschaft glaubte nicht mehr an die Methoden des Trainers und daran, mit ihm Erfolg zu haben.

Jurendic hatte zudem das Pech, dass es kurz nach seinem Amtsantritt zum Wechsel im Sportchef-Büro kam. Raimondo Ponte, der Jurendic holte und als «grösstes Trainertalent der Schweiz» ankündigte, musste Sandro Burki weichen. Dieser stand schon in den wenigen Wochen, in denen er ihn noch als Spieler erlebte, nicht auf Jurendic und dessen pedantische Art. Burki hätte sich am liebsten schon in der Winterpause von Jurendic getrennt. Doch Präsident Alfred Schmid und Vizepräsident Roger Geissberger überstimmten den Sportchef und forderten ihn dazu auf, mit Jurendic weiterzuarbeiten. Erst als auch in der Rückrunde die spielerische Entwicklung ausblieb, hatten die Bosse ein Einsehen und erfüllten Burkis Wunsch. Nach sieben Siegen, sechs Unentschieden und zwölf Niederlagen musste Jurendic am 21. März 2018 gehen.

Der Vergleich mit Streller

Ob Patrick Rahmen wie sein Vorgänger am 25. Spieltag noch im Amt ist? Die Chance dazu besteht weiter. Weil Rahmen intern viel besser dasteht als in der vergangenen Saison Marinko Jurendic. Die Führungsspieler stehen hinter Rahmen. Captain Elsad Zverotic sagte kürzlich: «Wir Spieler sind schuld. Den Trainer zu entlassen, wäre ein grosser Fehler.» Ähnlich tönt es von Sturm-Veteran Stefan Maierhofer: «Der Trainer stellt uns Woche für Woche hervorragend ein. Wir Spieler müssen uns endlich den Arsch aufreissen.» Dass das nicht nur Worthülsen sind, beweist dies: Wegen der Unzulänglichkeiten einzelner Spieler war zwar jede Niederlage verdient. Doch gerade in den letzten Partien gegen Vaduz, Winterthur und Servette wäre ein FCA-Sieg alles andere als gestohlen gewesen. Die Mannschaft spielt nicht wie in der vergangenen Saison gegen den Trainer, sie scheitert am eigenen Unvermögen.

Rahmen profitiert zudem davon, dass Sandro Burki ihn geholt hat. Die Hemmschwelle des Sportchefs, seinen Trainer zu entlassen, ist um ein vielfaches höher als bei Jurendic. Zwar kommt Burki bei anhaltender Talfahrt irgendwann nicht mehr um die Entlassung von Rahmen herum. Doch in dem Moment gerät er ins Kreuzfeuer der Kritik: So wie sein Berufskollege Marco Streller in Basel, an dem sie die FCB-Krise aufhängen, seit er Raphael Wicky fallenliess.

Nicht zuletzt dank seines starken Charakters hält sich Rahmen im Amt. Trotz Megakrise wirkt er jederzeit mehr oder weniger souverän. Er beschönigt gegenüber den Vorgesetzten nichts, scheint aber glaubhafte Lösungen präsentieren zu können. Und dass sich das Präsidium in seinem letzten Amtsjahr so lange wie möglich gegen eine kostspielige Trainerentlassung sträubt, versteht sich von selbst. Auch wenn Rahmen trotz Vertrag bis 2020 dank einer Klausel nur bis Ende der laufenden Saison ausbezahlt werden müsste.

Die Spiele gegen Wil und in Chiasso sind wegweisend. Heisst: Bleibt der Abstand zum rettenden Ufer bestehen oder wird er gar grösser, ist der Rahmen-Bonus aufgebraucht.