
Wenn der Wecker keinmal klingelt
Ich habe mir einen Wecker gekauft. Bislang nutzte ich dafür immer das Smartphone. Mit Harfenklängen holte es mich jeweils morgens aus dem Schlaf. Der Handy-Wecker hatte aber einen Nachteil: Kaum war ich wach, überrollte mich eine gewaltige Informationsflut. Womit ich mich da auseinandersetzen musste, bevor ich überhaupt aufgestanden war: Die News-App warnte vor Sturmböen (wo war bloss meine Regenjacke?), Facebook kündigte den baldigen Geburtstag einer Kollegin an (was sollte ich nur schenken?); und ein Möbelhaus teilte per Mail mit, mein Schrank sei im Lager abholbereit (den hatte ich doch gar nicht bestellt!). Irgendwann wurde mir das zu viel. Darum beschloss ich, mir den besagten Wecker zu besorgen. Im Internet suchte ich nach einem passenden Modell. Das Angebot war riesig: Radiowecker, Lichtwecker, Wecker «im stylishen Retro-Design», fliegende Wecker, Wurfwecker. Ich entschied mich schliesslich für einen Funkwecker. Keine überflüssigen Funktionen und eine einfache Bedienung – dachte ich zumindest. Kaum eingetroffen und ausgepackt, entpuppte sich das Gerät bereits als äusserst kompliziert. Er finde kein Signal, verkündete der Wecker mit einem blinkenden Sendemasten auf dem Display. Nach einer Stunde stellte er endlich eine Verbindung her und setzte mich mit schrillem Piepen darüber in Kenntnis. Er blendete die aktuelle Uhrzeit und das Datum ein. Ich wollte ihn sogleich testen und stellte die Weckzeit auf 18 Uhr. Drückte die Pfeiltasten, wie es die Bedienungsanleitung vorgab. Doch als die Kirchenglocken draussen 18 Uhr schlugen, blieb der Wecker stumm. Ich versuchte es erneut, doch das Gerät reagierte nicht. Ich bereute, dass ich nicht doch den Wurfwecker bestellt hatte. Den hätte ich jetzt an die Wand befördern können. Ich las die Bedienungsanleitung nochmals durch; drückte die eine Taste kurz, die andere länger. Und siehe da: Plötzlich funktionierte es. Der Wecker liess ein Tuten ertönen. Vertrauen kann ich ihm nach dem holprigen Start aber nicht. Er steht jetzt neben dem Handy auf dem Nachttisch, das jeden Morgen zuverlässig seine Harfenmelodie erklingen lässt.