
Die schöne neue Welt von FCA-Sportchef Sandro Burki
Sandro Burki war nicht da, und doch irgendwie anwesend. Vergangene Woche hat er auf Mallorca ein paar Tage mit der Familie verbracht. Natürlich blieb das Handy eingeschaltet. Die Transferphase dauert noch immer an, bis Ende August können Spieler ihre Vereine wechseln. Nun ist Burki wieder hier. Im Bauch des Brügglifelds, unter der Stadiontribüne, einen Tag, bevor der FC Aarau gegen Xamax in die Saison hätte starten sollen. Und neun Tage, bevor die Aarauer ihre Saison gegen Schaffhausen tatsächlich eröffnen werden.
Burki ist überzeugt, dass ein Schritt nach vorne gelingt
Der Sportchef des FC Aarau strahlt Ruhe aus, wie einer, der seine Angelegenheiten sortiert hat. Unter diesen Eindruck mischt sich ein Optimismus, der Burki eigen ist, in diesen Wochen aber besonders zum Vorschein kommt. Zum Trainingsauftakt vor einem Monat haben die Vereinsführung und er das Saisonziel ausgegeben. Platz 1 oder 2 soll es sein, der Aufstieg ist die Vorgabe. Der 35-Jährige ist überzeugt, dass nach Rang 5 in der letzten Saison ein Schritt nach vorne gelingen kann: «Wir haben die Mannschaft zusammenhalten können.» Bis auf Mats Hammerich (zu Xamax) und Filip Stojilkovic, der nach abgelaufener Leihe zu Sion zurückgekehrt ist, sind sich die beiden Kader nahezu identisch. Mit Jan Kronig in der Innenverteidigung und Allen Njie auf der Sechs sind Schlüsselpositionen mit neuen, jungen Kräften besetzt. Burki freut sich auf zwei Spieler, die «vom Profil her sehr interessant sind».
Seit Burki vor vier Jahren Sportchef wurde, kam ihm stets die Aufgabe zu, die verschiedenen Ansprüche zu balancieren. Der langfristigen Weiterentwicklung stand der kurzfristige Erfolg gegenüber. Burki bewies, dass sich diese zwei Dinge nicht widersprechen müssen. Und doch stiess er auf Hürden, die ihm die Gesetzmässigkeiten des Marktes in den Weg stellten.
Bestes Beispiel ist die Kampagne von 2018/19. Nach dem furiosen Schlussspurt bis in die Barrage schlug das Schicksal zu, das «jeden Verein ereilen kann, der nicht an der Weltspitze steht», wie Burki sagt. Leistungsträger ziehen weiter, in jenem Jahr waren das Varol Tasar, Nicolas Bürgy und Linus Obexer. Man müsse Geld in die Hand nehmen, um Spieler solchen Formats gleichwertig zu ersetzen, sagt Burki. «Mindestens 1,5 Millionen Franken», rechnet er vor. Ein Verein wie Aarau aber muss Transfereinnahmen generieren und kann die Erlöse nicht sofort reinvestieren. Nicht in der gleichen Höhe zumindest.
Für die Öffentlichkeit, sagt Burki, sei das häufig schwer zu verstehen. «Nach einer Barragesaison denkt jeder, dass danach der Aufstieg folgt. Vielleicht ist das aber gar nicht realistisch.» Burki sieht die Hintergründe, die Mechanismen, die Wahrhaftigkeit des Fussballgeschäfts. Gleichwohl kann er die Erwartungshaltung nachvollziehen. Nach einer Spielzeit mit Rang zwei zu verkünden, dass man Fünfter werden will, mache doch auch keinen Sinn.
Nun sind die Vorzeichen andere. Der FC Aarau strebt nach oben, hat den Aufstieg im Visier. Mit einem Selbstverständnis, das an Stärke gewonnen hat. «Wir sind in der Lage, auch mal Nein zu sagen», sagt Burki. «Wir müssen nicht das erstbeste Angebot annehmen, weil wir sonst die Stromrechnung nicht mehr zahlen können.» Gefragte Spieler um jeden Preis zu verkaufen, das ist nicht mehr beim FCA.
Angebote an die eigenen Spieler, das sind für Burki auch immer Indikatoren, wie richtig er als Sportchef mit der Wahl der eigenen Transferziele liegt. «Wenn du Spieler hast, die nie ein Angebot bekommen, musst du dich irgendwann auch fragen, ob du die richtigen Leute holst oder nicht», sagt Burki. Insofern dürfte dieser Sommer Bestätigung für ihn sein, dass die Tendenz in seinen Entscheiden stimmt. Denn Anfragen an Spieler, die hat es gegeben. «Aber nicht in einer Art, in der es für uns gestimmt hätte.» Namen nennt Burki keine, da ist er zu wettkampferprobt im Gebaren des Transfermarktes. Lieber hebt Burki Fälle von Spielern hervor, bei denen er es verstanden hätte, wenn sie sich einer neuen Herausforderung gestellt hätten – und doch geblieben sind.
«Wir können Verletzungen mit Qualität auffangen»
Der Weg, er scheint für die meisten noch nicht zu Ende zu sein beim FC Aarau. In der Gesamtheit ergibt das aus Burkis Sicht einen starken Kader. «Wir sind in der Breite gut besetzt und können Verletzungen mit Qualität auffangen», sagt Burki. Gilt selbiges auch für den Sturm, wo mit Shkelzen Gashi und Mickael Almeida nur deren zwei Namen auf der Teamliste stehen? «Bei der Art von Fussball, den wir spielen lassen, ist das nicht so entscheidend.» Schon oft hätte der FCA unter Stephan Keller ohne nominellen Stürmer gespielt, Spieler wie Liridon Balaj oder Kevin Spadanuda könnten die Rolle im Sturmzentrum ebenso ausfüllen. «Den klassischen Stossstürmer», sagt Burki, «braucht es bei uns nicht zwingend.»
Doch verhehlt Burki nicht, dass im Angriff am ehesten Handlungsbedarf besteht. Stojilkovic würden Aaraus Verantwortliche liebend gern wieder bei sich wissen, laut Burki möchte der Stürmer ebenso zurück ins Brügglifeld. Beim Start in die Super League am Wochenende wurde Stojilkovic eingewechselt, Sions Präsident Christian Constantin wird wohl das letzte Wort haben, ob der 21-Jährige gehen darf oder nicht. Bis zum Transferschluss sind es noch vier Wochen. Vielleicht kommt Stojilkovic zurück, vielleicht ein anderer Stürmer, vielleicht kommt aber auch gar keiner mehr in dieser Wechselperiode.
Gegen Schaffhausen will der FC Aarau den Start-Fluch vertreiben
Endlich ist es so weit: Mit einer Woche Verspätung beginnt auch für den FC Aarau die Saison. Am Samstag um 18 Uhr empfängt die Mannschaft von Trainer Stephan Keller den FC Schaffhausen im Brügglifeld.
Wer Ziele hat wie der FCA, muss letztlich jeden Gegner in der Liga bezwingen können. Doch dürfte es einfachere Aufgaben geben, als gegen die Schaffhauser in eine neue Spielzeit zu starten. Gegen die Ostschweizer hatten die Aarauer in der abge-laufenen Saison eine ausgeglichene Bilanz: Zwei Siegen standen zwei Niederlagen gegenüber. Ein Muster über potenziellem Heim- oder Auswärtsvorteil gab es dabei nicht auszumachen. Den einen Sieg holte der FC Aarau auswärts im Lipo Park (2:1 am 5. Spieltag), den zweiten Sieg gab es am 27. Spieltag beim 1:0 im heimischen Brügglifeld. Wenige Wochen zuvor hatte der FCA an selber Stelle mit 1:2 verloren. Zuletzt mussten die Aarauer im Saisonendspurt trotz zweimaliger Führung in Schaffhausen eine bittere 2:3-Niederlage hinnehmen.
Trainer bei den Gelb-Schwarzen ist noch immer der Ex-Internationale Murat Yakin. In der neuen Saison leitet er eine Mannschaft an, die sich im Kern zwar noch immer gleich bleibt, die aber einige Abgänge zu verkraften hat. Der Abwesende mit dem prominentesten Namen ist Rodrigo Pollero. Der Stürmer aus Uruguay schoss in der vergangenen Challenge-League-Kampagne 19 Tore und krönte sich damit zum Torschützenkönig. Pollero hat sich diesen Sommer dem FC Zürich angeschlossen, die Lücke im Angriff soll nun ein anderer Uruguayer ausfüllen: Vor wenigen Tagen gab der FC Schaffhausen die Verpflichtung von Joaquin Ardaiz bekannt, der zuletzt beim FC Lugano spielte. Der Mittelstürmer könnte schon heute Samstag auflaufen.
Zum Formstand der Teams können keine verlässlichen Angaben getroffen werden, da sowohl Aarau als auch Schaffhausen noch keinen Ernstkampf in den Beiden haben. Für beide Mannschaften ist es das erste Pflichtspiel; der Vergleich zwischen Schaffhausen und Kriens musste vergangenes Wochenende ebenfalls abgesagt werden – wenn auch aus coronabedingten Gründen. Der FCA indes dürfte hoffen, besser aus den Startlöchern zu kommen als in den vergangenen Jahren. Seit dem Abstieg 2015 begannen die Aarauer ihre Saison nie mit einem Sieg.
Vielleicht sorgt ja die Rückkehr der Zuschauer dafür, diese Bilanz ein wenig aufzuhübschen. Für alle Matchbesucher gilt, dass sie ein gültiges Covid-Zertifikat vorweisen müssen. Entgegen der ersten Ankündigung bietet der FC Aarau zudem Testmöglichkeiten vor dem Stadion an, wofür zusätzlich die Krankenkassenkarte vorzuweisen ist. Auf die Unterstützung der «Szene Aarau» wird die Heimmannschaft gegen Schaffhausen wohl nicht zählen dürfen. Die Fangruppierung teilte mit, die Spiele bis auf weiteres nicht im Stadion mitverfolgen zu wollen. Zugrunde liegt eine Protest- aktion, die sich gegen personalisierte Tickets und geschlossene Gäste- sektoren richtet, so wie das etwa bei Super-Ligist FC Sion gehandhabt wird.