Jan Hochstrasser und sein Aufbruch in ein neues Kapitel

Einen Monat nach den Leichtathletik-Europameisterschaften von Berlin zieht Jan Hochstrasser einen Schlussstrich. Nicht nur unter die Saison, sondern unter die gesamte Karriere. Denn der bald 30-jährige Mittelstreckenläufer aus Safenwil hat gestern Donnerstag seinen Rücktritt vom Spitzensport bekannt gegeben. Für den Entscheid, der in den letzten zwei Wochen gereift ist, führt Hochstrasser mehrere Gründe an. «Nach Berlin habe ich gemerkt, dass mir die Leichtathletik nicht mehr gleich viel gibt wie früher», erklärt er.

Deshalb kommen für ihn die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio als Fernziel auch nicht in Frage. «Die Spiele wären für mich der einzige richtige Anreiz gewesen, um weiter zu machen», sagt Hochstrasser zwar. Bei den Saisonbilanz-Gesprächen mit seinen Trainern Beat Aeschbacher und Sandra Gasser habe sich aber die Frage gestellt, ob er wirklich dazu bereit sei, nochmals zwei Jahre lang in jedem Training Vollgas zu geben. «Ich spürte, dass das bei mir nicht der Fall ist, wenn ich nicht mehr zu hundert Prozent dabei bin», sagt Hochstrasser. Auch der Zustand seines Körpers floss in die Gedankenspiele mit ein. «Ich bin gesund und kann selber entscheiden, wann ich zurücktreten will – und nicht ein Arzt», sagt er.

Beruflicher Stillstand
Hinzu kommt, dass sich nach dem erfolgreichen Abschluss der Masterarbeit im Rahmen des Betriebswirtschaftsstudiums im Mai der Wunsch nach einer persönliche Veränderung verstärkt hat. «Ich hatte das Gefühl, dass ich in den letzten Jahren beruflich gesehen stillgestanden bin», sagt Jan Hochstrasser.

Das Verlangen, auf eigenen Beinen zu stehen, spürte das ehemalige Aktivmitglied des TV Zofingen Leichtathletik auch in finanzieller Hinsicht. «Ich wollte nicht mehr von Sponsoren abhängig sein. Als Athlet ist man stets im Ungewissen, wie die Situation im nächsten Jahr aussieht», sagt Hochstrasser. Er betont aber, dass das Verhältnis zu seinen Unterstützern jederzeit positiv gewesen sei. «Mir ging es immer gut, wenn auch auf bescheidenem Niveau. Etwas anderes war bei mir wegen meines Leistungsausweises auch nicht möglich, deshalb bin ich meinen Sponsoren sehr dankbar.»

Viele schöne Momente
In Anbetracht dieser Punkte war für Jan Hochstrasser der richtige Moment gekommen, um ein Kapitel zu schliessen. «Es war unglaublich toll, was ich alles erleben durfte», blickt der 1500-Meter-Spezialist auf über zehn Spitzenleichtathletik-Jahre zurück. Bei seinen Reisen an die verschiedenen Wettkampforte durfte er viele Leute kennenlernen. «Das hat mir viel Energie gegeben», so Hochstrasser.

Zu den sportlichen Höhepunkten zählt der mehrfache Schweizer Meister über 800 m bis 5000 m in erster Linie die Einsätze im Nationaldress. In guter Erinnerung bleiben werden ihm auch die Teilnahme an den Europameisterschaften 2014 in Zürich sowie der 1000-Meter-Lauf im Jahr 2016 in Lausanne. «Das war wahrscheinlich mein bestes Rennen», sagt Hochstrasser.

Der Safenwiler ist sich bewusst, dass er vielleicht sein Potenzial auf der Rundbahn nicht ausgeschöpft hat. «Ich habe jedoch mehr erreicht, als ich als Kind je für möglich gehalten habe, daher ist es für mich hier ein guter Punkt, um aufzuhören», sagt Jan Hochstrasser. Während sich in beruflicher Hinsicht eine Lösung konkretisiert, freut er sich auf mehr Zeit mit seinem privaten Umfeld. «Ich will Dinge unternehmen, die ich in den letzten Jahren zurückstellen musste. Zum Beispiel wandern, Ski fahren oder Fussball spielen mit Freunden», erklärt Hochstrasser. An die Leichtathletik denkt er vorerst nicht. «Ich kann gut zwei bis drei Wochen ohne laufen sein», sagt Hochstrasser.