
Der FC Aarau ist zu 50 Prozent abgestiegen – noch kann sich das Blatt wenden
Der FC Aarau wankt. Eine weitere Niederlage am Samstag gegen Chiasso – und der FC Aarau fällt. In den Abstiegskampf, ins Haifischbecken. Ab sofort ginge es einzig und alleine ums nackte Überleben. Der Abstieg in den Amateurbereich wäre der Tod des Profifussballs im Kanton Aargau. Eine rasche Wiedergeburt wäre nicht absehbar. Statistiken sind mit Vorsicht zu geniessen. Sie spiegeln die Vergangenheit, im Fussball aber geht es immer um das nächste Spiel, um die Zukunft, und die ist unberechenbar.
Der Fakt aber, dass in allen sechs Challenge-League-Saisons seit Gründung der Zehnerliga sämtliche am vierten Spieltag Letztplatzierten bis zum Schluss tief im Tabellenkeller steckten, sagt eben doch etwas aus. Die Hälfte lag auch am Ende der Spielzeit auf dem letzten Platz, dem Abstiegsplatz. Das kann nicht nur Zufall sein. Hoffentlich sind sich alle Trainer und Spieler des FC Aarau dessen bewusst.
Gemäss der Statistik ist die Saison also bereits gelaufen. Mehr noch: Gemäss der Statistik ist der FC Aarau zu 50 Prozent abgestiegen. Doch das zweifellos vorhandene Talent in der Mannschaft und im Trainerteam erlaubt eine Gnadenfrist: das Heimspiel gegen Chiasso. Bei einer Niederlage wäre diese am Samstagabend abgelaufen, müssten alle im und um den FC Aarau die Hoffnungen auf eine bessere Saison als die vergangenen begraben. Gewinnt der FC Aarau, wäre das ein Schritt zurück auf der Planke. Aber bei weitem nicht die Rettung: Die Aarauer müssten auch eine Woche später in Rapperswil-Jona punkten, um mit dem ersten Bein ins sichere Schiff zu steigen.
Klammern an kleine Dinge
Schritt für Schritt aus der Krise. Das ist auch das Motto von Trainer Patrick Rahmen. Von den zu Beginn an sich und an die Mannschaft formulierten Ansprüche, dem Publikum attraktiven und erfolgreichen Fussball zu bieten, ist nichts mehr zu hören. Es sind die kleinen Dinge, an die sich der Trainer und seine Spieler klammern. Zum Beispiel: Dass im Cup das Anrennen auf das Tor von Amriswil in der 119. Minute doch noch belohnt wurde, als ein Ball vor die Füsse von Gianluca Frontino fiel.
Eine Laune des Schicksals mit dem FC Aarau als Profiteur. Das war in dieser Saison schon anders: verwehrter Penalty gegen Servette (0:2), zwei Lattentreffer gegen Winterthur (1:3). Nach den Niederlagen gegen Kriens (0:2) und Wil (0:2) hingegen brauchten sich die Aarauer nicht über fehlendes Glück zu beschweren – in diesen Spielen waren sie einfach zu schlecht für Punkte.
Ein dünner Strohhalm
Die letzten Minuten eines Cupspiels gegen einen drei Ligen tiefer klassierten Gegner als Strohhalm? Kann sein, dass aus diesem Funken irgendwann ein Feuer wird. Jedoch sollten sich die Aarauer nicht allzu viel darauf einbilden: Beobachter, die in Amriswil vor Ort waren, berichten vom nächsten Rückschritt, was Stabilität, Kreativität und Druckresistenz betrifft. Und dieser fussballerische Sinkflug, angefangen am dritten Spieltag gegen Kriens, ist es, der mit Blick auf das Chiasso-Spiel Böses erahnen lässt.
Wie sollen in einer Woche aus Miezekätzchen Löwen werden? Wie soll die chronische Krankheit, nach einem Gegentor zusammenzubrechen wie ein instabiles Kartenhaus, behoben werden? Wie sollen aus torimpotenten Offensivspielern Scharfschützen werden? Wie sollen in einer Woche aus stümperhaften Abwehrspielern felsenfeste Verteidiger werden? Ein Ansatz könnte lauten: weg vom risikobehafteten Offensivfussball, zurück zur Basis. Warum nicht den Ball länger in den eigenen Reihen zirkulieren lassen, so Sicherheit im Passspiel generieren und gleichzeitig den Gegner aus der Deckung locken? Warum nicht den Ball öfter dem Gegner überlassen und seinerseits in die Rolle der Kontermannschaft schlüpfen?
Wer selber Fussball gespielt hat, der weiss: Je länger der Gegner keine Torchancen hat, umso grösser wird das Selbstvertrauen. Und davon haben die Spieler des FC Aarau im Spiel gegen Chiasso jedes Milligramm nötig.
Das sagt die Statistik
Die Tabellenletzten nach dem 4. Spieltag und ihre Schlussplatzierungen seit der Reduktion der Challenge League auf zehn Teams:
2012/13: Locarno, Schlussplatzierung: 10. und Absteiger
2013/14: Chiasso, Schlussplatzierung: 8.
2014/15: Biel, Schlussplatzierung: 10.*
2015/16: Le Mont, Schlussplatzierung: 9.
2016/17: Wil, Schlussplatzierung: 10.**
2017/18: Chiasso, Schlussplatzierung: 8.
*Biel nicht abgestiegen wegen Konkurs von Servette.
**Wil nicht abgestiegen wegen Rückzug von Le Mont.