
Reitnauer in Reitnau am Bodensee – MIT VIDEO
«Lindau hoch, Lindau hoch, Lindau hoch!» Zu diesem Ausruf fliegen die blumengeschmückten Fahnen und die Blumenbögen in die Höhe. Wir stehen dicht gedrängt auf dem Bismarckplatz beim Lindauer Rathaus. Vorne auf der Treppe haben sich die Ehrengäste versammelt und schauen auf die Lindauer Schuljugend und die verschiedenen Musikkapellen und Trommlerzüge hinunter. Mittendrin: die Reitnauer, die wie alle Jahre ihre Partnergemeinde in Deutschland besuchen. Genauer: den Partnerortsteil. Denn Ober- und Unterreitnau ist einer von fünf Stadtteilen der deutschen Stadt Lindau am Bodensee. Seit 52 Jahren besteht die Partnerschaft (siehe Box). Die Mitglieder der Schweizer Delegation sind alte Hasen: Unzählige Male haben sie an Kinderfesten in Lindau teilgenommen, haben den Kinderaustausch zwischen der Schweiz und Deutschland organisiert oder selber am Kinderaustausch teilgenommen.
Weckruf mit Böllerschüssen
Für mich ist es das erste Mal, dass ich ans Kinderfest an den Bodensee gereist bin. Losgegangen ist es bereits am Morgen um 5 Uhr: Abfahrt in Reitnau gemeinsam mit Pfarrer Matthias Schüürmann und seiner Frau Rahel. Noch ist es dunkel. Gegen sechs Uhr wird es langsam hell. Während wir auf der Autobahn in Richtung Osten fahren, werden in Reitnau am Bodensee die Kinder mit Böllerschüssen geweckt. Als wir den See kurz nach sieben Uhr das erste Mal durchs Fenster erspähen, lauschen die Kinder in Reitnau (D) in der Kirche St. Pelagius dem Festgottesdienst. Bei uns im Auto sagt die Nachrichtensprecherin 28 bis 31 Grad Celsius für die Bodenseeregion voraus. Sie wird recht behalten. Und wir werden es am späteren Nachmittag schätzen, dass sich der Festplatz im Reitnauer Freibad befindet. Dieses ist übrigens das «Hochzeitsgeschenk» der Stadt Lindau an den Ortsteil Reitnau im Rahmen der Eingemeindung.
Traditioneller Festumzug
Kurz vor neun Uhr sind die Klänge von Musikkapellen zu hören. Von allen Seiten marschiert die Lindauer Schuljugend, angeführt von der Musikkapelle ihres Ortsteils, in Richtung Insel Lindau und läuft als langer Umzug durch die Altstadt. Auch wir Reitnauer nehmen am Umzug teil. Unsere Schweizerfahnen sind genauso wie die Fahnen der Schulbuben mit einem Sträusschen geschmückt. Am Strassenrand stehen Eltern, Grosseltern und Heimweh-Lindauer, aber auch Touristen. Sobald sie uns erblicken, schallt von überall her der Ruf «Grüezi Schweiz!» Ja, die Schweizer gehören zum Lindauer Kinderfestumzug wie die Butschelle in die Leinentasche, die alle Kinder nach dem Umzug erhalten. Seit dem ersten Kinderfest ist die Butschelle, ein süsses Rosinengebäck, Teil des Geschenks an die Kinder. Wir marschieren am Seehafen mit Löwe und Leuchtturm vorbei, dem Lindauer Wahrzeichen. Von der Römerschanze werden Böllerschüsse abgefeuert, die jedes Mal mit einem lauten «Hoch» quittiert werden. Gleichzeitig fliegen die Fahnen in die Höhe. «Jetzt wirds eng», raunt neben mir Hans, als wir auf den Bismarckplatz beim Rathaus einbiegen. Der Oberbürgermeister Dr. Gerhard Eckert begrüsst uns genauso wie jede andere Gruppe, die am Umzug teilgenommen hat, mit einem dreifachen «Lindau hoch!». Anschliessend folgt der Festakt mit der überraschend kurzen Rede des Bürgermeisters und einem Gedicht der Kinder. Bevor der Umzug die Insel wieder verlässt, singen alle die Kinderfesthymne und das Deutschlandlied.
«Reitnau ist fast wie unser Reitnau. Wir haben uns sofort wie zu Hause gefühlt», werde ich nach dem Umzug auf die Ankunft in Reitnau (D) vorbereitet. Dies liegt nicht nur an der Herzlichkeit, mit der die Deutschen ihre Partnergemeinde begrüssen. Die beiden Reitnau haben auch einiges gemeinsam: Sie liegen auf dem Hügel, Kirche und Schule stehen nahe beieinander und sie sind mit 1300 Einwohnern (Schweiz) und 2600 Einwohnern (Deutschland) ähnlich gross. Nach dem Mittagessen führt der zweite Umzug durch Oberreitnau bis zum Festplatz im Freibad. Während die Musikgesellschaften von Reitnau die Festgemeinde unterhalten, sitzen die Reitnauer aus beiden Ländern zusammen. Sie lassen gemeinsame Erlebnisse Revue passieren und planen künftige Aktivitäten. Kurz: Sie pflegen die Freundschaft, die zwei Dörfer seit Jahren verbindet und auch weiterhin verbinden wird.