
Wegen Eiterzähnen: Lars Bürglers Angst um sein Dressurpferd Remmy war riesig

Es war Lars Bürglers sechste Teilnahme an nationalen Titelkämpfen, aber die erste bei den Jungen Reitern U21. Der Kategorienaufstieg bedeutet auch den Wechsel von der M- in die S-Klasse. «An dem scheitern viele Reiter und viele Pferde gehen kaputt, weil sie forciert werden und zu wenig auf Erholung und Lockerung wert gelegt wird», so Marianne Bürgler. Lars Bürgler lässt Remmy im Training die beanspruchten Rücken- und Halsmuskeln oft entspannen, während das Duo die neuen Pirouetten und fliegenden Serien-Wechsel übt. Nach den einstündigen Einheiten gibt es für Remmy ein «Gutzi», das er genüsslich zermalmt – das Gebiss ist definitiv wieder in Ordnung.

«Es gibt Pferde, die kommen nach solch einer Sache nicht mehr zurück und müssen eingeschläfert werden.» Diese Worte eines Tierarztes hallen in Lars Bürglers Ohren noch immer nach. «Meine Angst um Remmy war riesig», sagt der Kölliker. «Remmy» – das ist der Westfalenwallach Remember Passion, kurz Remmy, mit dem Lars Bürgler seit gut sechs Jahren arbeitet und im Schweizer Kader der Jungen Reiter U21 ist.
Nachdem Remmy lang absolut gesund war, sammelte er im vergangenen Jahr eine dicke Krankenakte an. Alles begann Ende Juni 2017. Drei Tage vor den Schweizer Meisterschaften floss Eiter aus der linken Nüster, die Zähne mussten unter die Lupe genommen werden. Dazu war eine Sedierung notwendig. «Weil die SM bevorstand, brauchten wir eine Medikations-Erlaubnis, um bei einer allfälligen Dopingkontrolle nicht hängenzubleiben», erklärt Lars Bürgler. Der Befund: zwei entzündete Zähne, die raus mussten. «Einen solchen Eingriff unternimmt man nicht während der Saison, sondern danach und gibt dem Pferd solange Antibiotikum», erklärt Marianne Bürgler, Lars’ Mutter und Trainerin. Schmerzen schien «Remmy» nicht zu haben. Also trat Lars Bürgler mit ihm bei der SM und später an der Junioren-EM in Holland an, mit ansehnlichen Ergebnissen. Dann brachen die Bürglers die Saison ab. «Remmy ist unser Lebenspferd», sagt Marianne Bürgler, «wir handeln bei ihm wie bei all unseren anderen Tieren stets zu deren Wohl.»
In die Klinik statt nach Hause
Die Heimreise von der EM endete für den Westfalenwallach nicht auf dem heimischen Hof in Kölliken, sondern in einer Klinik in Deutschland. Sechs Wochen verbrachte Remmy in Spitalpflege in Leichlingen, ehe ihn die Bürglers heimholten und die weiteren Untersuchungen in der Pferdeklinik in Niederlenz erfolgten. «In der Berufsschule konnte ich mich konzentrieren. Aber immer dann, wenn ich eigentlich mit Remmy reiten gegangen wäre, kamen die Gedanken, wie es ihm wohl geht», sagt der angehende Zeichner Fachrichung Ingenieur/Bau Lars Bürgler. Mit der Entfernung der Zähne war es nicht getan. Die Löcher, die die fehlenden Beisser hinterliessen, wurden mit einer Gummimasse gefüllt. Wöchentlich wurden die Füllungen entfernt, die Wunden gespült und die Plomben verkleinert, damit die Vertiefungen darunter langsam zuwachsen konnten. Hätte man die Löcher zugenäht, wäre unter der Naht wieder eine Entzündung entstanden. Vorerst musste «Remmy» auf die geliebten Karotten und Äpfel verzichten, damit kein Stück Gemüse oder Obst in die Wunde geriet.

An intensive Trainings war mit Remember Passion, der sonst viermal in der Halle von Lars Bürgler und daneben im Gelände bewegt wird, nicht zu denken. Er brauchte seine Kräfte für die Genesung. «Sass ich im Sattel, gab er mir aber das Gefühl, er wolle mehr machen, als er sollte», erzählt Lars Bürgler. Mitte November waren die Löcher verheilt. Beim Dressursport braucht es aber zwei – nun musste sich Lars Bürgler schonen. Beim Skifahren war dem 19-Jährigen die Kniescheibe herausgesprungen. Mit Physiotherapie bekam er die Folgen in den Griff und ist heute schmerzfrei.
Auch Remember Passion ist wieder fit. An den Schweizer Meisterschaften vor gut drei Wochen ritten er und Lars Bürgler überraschend zu Bronze. «Dass Nationaltrainerin Heidi Bemelmans stets hinter uns stand, hat mir sehr geholfen», betont Lars Bürgler und streicht Remmy über die gepflegte Mähne. Weniger gut war es den beiden an den Turnieren Anfang Saison gelaufen. Remmy, ohnehin eher ängstlich und leicht abzulenken, schien überängstlich, war sehr schwer zu führen. «Er reagierte schlecht auf Kommandos, ich fühlte mich als Passagier, zweifelte an meinen Fähigkeiten als Reiter.» Remmy wurde nochmal durchgecheckt. Die Ärzte fanden nichts. Anfang Juni an einem Turnier in Aachen (De) legte das Duo den Schalter um, tankte mit einem weiteren guten Ergebnis in der «Heimanlage» in Holziken Selbstvertrauen und münzte die gute Verfassung dann eben in SM-Bronze um.