
Weitere Täler in den Alpen fluten?
Föderalismus ist eine tolle Sache, weil er politische Entscheide nahe bei den Bürgerinnen und Bürgern ansiedelt. Aber er kann auch schwierig werden, wenn es um die Verfolgung einheitlicher Ziele geht – der Bund oder eine «Direktorenkonferenz» mitreden will. So aktuell bei der Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes auf der Ebene der Kantone.
Damit die Sache nicht aus dem Ruder läuft – nicht 26 grundsätzlich verschiedene Wege hin zu den Klima- und energiezielen beschritten werden – hat die Konferenz kantonaler Energiedirektoren Mustervorschriften (MuKEn) verabschiedet. Sie zu übernehmen, dazu besteht formalrechtlich kein Zwang. Der Aargau hat aber – wie der Kanton Solothurn – die MuKEn in seinem Energiegesetz-Entwurf weitgehend übernommen. Im Kanton Solothurn lag bereits ein fixfertiges Gesetz auf Basis der MuKEn vor. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben am 10. Juni die Reissleine gezogen und das Gesetz hochkant verworfen.
Was ist schlecht an den MuKEn? Den Sozialdemokraten und den Grünen gehen sie zu wenig weit – SVP und FDP kritisieren massive Eingriffe ins Privateigentum. Um sich hier nicht im Gebüsch der Details zu verfangen, nur wenige Beispiele: Bei Gebäuden ist das konkrete Ziel der vorgeschlagenen Aargauer Umsetzung der MuKEn, dass Neubauten weniger Energie verbrauchen und einen Teil davon selber erzeugen. Beim Ersatz von Heizungen soll der massgebliche Bedarf für Heizung und Warmwasser höchstens zu 90 Prozent von nicht erneuerbaren Energien stammen. Die restlichen 10 Prozent sind durch erneuerbare Energien oder baulich-technische Massnahmen zu decken. Den Linksparteien ist das zu wenig. Sie fordern 50 Prozent.
Zentrale Elektroheizungen mit Wasserverteilsystem (Bodenheizung) und Elektroboiler sollen innert 15 Jahren durch eine andere Lösung ersetzt werden müssen. Solche Elektroheizungen befinden sich in älteren Gebäuden. Diese zu ersetzen dürfte aus Kostengründen zum Abbruch der betroffenen Liegenschaft führen.
Für die FDP ist der primär auf die Gebäude ausgerichtete Fokus falsch, weil er der Systemsicht nicht Rechnung trägt. Die massiven Herausforderungen im Bereich der Energieversorgung können nur bewältigt werden, wenn die Sektoren Elektrizität, Gas und (Fern-) Wärme im Verbund gesehen werden.
Dass Hausbesitzer beim Ersatz einer Öl- oder Gasheizung zehn Prozent des benötigten Energiebedarfs mit erneuerbarer Energie abdecken oder mittels Einsparung kompensieren müssen, ist im Grundsatz keine allzu hohe Hürde. Der Gesetzesentwurf unterscheidet bei den fossilen Energieträgern jedoch nicht zwischen Heizöl und Gas. Die sind in der Realität aber nicht «Jacke wie Hose», nicht «gleicher Stoff». Bereits heute besteht das von der StWZ Energie AG gelieferte Gas zu fünf Prozent aus einheimischer, erneuerbarer Produktion.
Bis 2030 will die Erdgasbranche im Wärmemarkt 30 Prozent erneuerbare Gase einsetzen. Was die Forderung der «Gesetzesmacher» anbetrifft – 10 Prozent erneuerbare Energie – kann beim Gas schon heute erfüllt werden. Wie beim elektrischen Strom gibt es Premiumprodukte – Gas mit einem Bio-Anteil von 20 Prozent. Erneuerbares, CO -neutrales Gas ist auch solches, das aus überschüssigem elektrischem Strom – die im Sommer ungenutzte Solarproduktion – gewonnen wird und als synthetisches Methan im Gasnetz gespeichert werden kann.
Diese Speichermöglichkeit für grosse Mengen Strom ist enorm wichtig. Heutige Batterien taugen dafür nicht. Eine Alternative wären Pumpspeicherkraftwerke. Deren Bau ist nicht nur sehr teuer – es stellt sich auch die Frage, ob wir noch mehr Gebirgstäler einem Stausee opfern – unter Wasser setzen wollen.