Präsidiumskandidat Dobler will die FDP einen – doch er spaltet sie weiter: «Die Coronamassnahmen aufheben»

Es gibt für die Parteien in der Coronapolitik kaum einen Blumentopf zu gewinnen. Die Parteien halten sich seit Wochen denn auch oft auffallend zurück mit neuen Forderungen. Schliesslich geht die Uneinigkeit quer durch die Fraktionen. Das zeigt derzeit die SVP. Ihr Präsident Marco Chiesa etwa ist dafür, dass Private wie Restaurants ein Covid-Zertifikat einsetzen dürfen. Fraktionschef Thomas Aeschi kämpft seit Monaten vehement dagegen. Die Grünen wiederum haben durchaus auch Impfskeptiker in ihren Reihen.

Nun könnte die polarisierende Coronafrage die FDP-Fraktion erreichen. Nationalrat Marcel Dobler spricht sich dafür aus, sämtliche Massnahmen aufzuheben. Das sagte er im Videointerview auf dem Portal «Nebelspalter.ch». Mit «Ja» beantwortete Dobler eine entsprechende Frage von Moderator Reto Brennwald. «Ich sehe nicht ein, weshalb man die Maskenpflicht weiterführt», sagt der Unternehmer und Digitec-Gründer beispielsweise. Auch «Zwangstests» an Schulen stehe er skeptisch gegenüber. Wenn sich alle impfen lassen und selbst über die Immunität entscheiden könnten, könne man die Massnahmen nicht mehr rechtfertigen, sagt Dobler.

«Auch in der Zukunft wird es Grippefälle geben»

Die Schweiz müsse zur Eigenverantwortung zurückfinden und der Bund müsse seine Strategie nun an den schweren Fällen ausrichten. Dobler warnt: «Auch in der Zukunft werde es Grippefälle geben.» Wenn man jetzt die Massnahmen aufrechterhalte, werde man künftig auch bei Grippen Massnahmen treffen müssen.

Nun ist das nicht irgendeine Äusserung. Dobler aspiriert auf die Nachfolge von Petra Gössi an der Spitze der Partei. Der St.Galler Unternehmer möchte FDP-Präsident werden, wie er gegenüber der «Schweiz am Wochenende» sagte – und zwar einem Co-Präsidium. Er wolle die Partei einen, sagte Dobler. «Hören die Grabenkämpfe nicht auf, gewinnen wir in den Wahlen 2023 keinen Blumentopf.»

Die FDP-Fraktion hat eine etwas andere Haltung

Nun widerspricht er selbst aber seiner Partei. Die FDP hatte bisher keine Aufhebung der Massnahmen gefordert. Die Partei hatte sich zuletzt am vergangenen Freitag in Sachen Corona zu Wort gemeldet. Sie verlangte eine Abschaffung der Gratis-Coronatests, um die Impfrate zu erhöhen. Von der Aufhebung von Massnahmen war keine Rede. Die Partei hielt einzig fest, dass es zurzeit «keine zusätzlichen Einschränkungen» brauche –merkte aber auch an: «Wenn sich die Lage in den Spitälern jedoch rapide verschlimmert, werden weitergehende Einschränkungen notwendig sein.»

An dieser Haltung habe sich nichts geändert, sagt auf Anfrage FDP-Fraktionschef Beat Walti.

«Für umfassende Aufhebungen ist es ohne eine stärkere Impfbereitschaft zu früh.»

Der Schlüssel liege bei der Impfquote. «Wenn wir diese nicht auf ein taugliches Mass bringen, ist das Risiko substanziell, dass es im Herbst wieder zu kritischen Situationen im Gesundheitswesen kommt», sagt der Zürcher Nationalrat. Einer Aufhebung der Maskenpflicht kann er derzeit nicht viel abgewinnen. «Es ist nach wie vor eine der einfachsten und akzeptiertesten Massnahmen, wenn Abstandsregeln nicht eingehalten werden können oder sich viele Leute auf engem Raum aufhalten.»

Dobler traf sich schon mit Coronaskeptikern

Völlig überraschend ist Doblers Haltung nicht. Er engagiert sich seit geraumer Zeit auf der Plattform «Coronadialog.ch», die die bundesrätlichen Massnahmen als zu wenig evidenzbasiert kritisiert. Im April war er beim coronaskeptischen Portal «Stricker TV» zu Gast. Angekündigt wurde er als Mann der Mitte, wo nun hoffentlich zunehmend die Vernunft einkehre. Dobler war bisher immer wieder Alleingänge gegangen. Er gehörte zu den ganz wenigen in der Partei, die das CO2-Gesetz ablehnten – oder für die Masseneinwanderungsinitiative waren.

Wie lässt sich die Haltung vereinbaren mit den Bestrebungen, an die Spitze der Partei zu gelangen? Zum Nebelspalter sagte Dobler, die Haltung zu Corona sei keine Frage der Partei: In seinem Umfeld gebe es quer durch die Parteien viele Leute, die die Massnahmen nicht verstanden hätten. «Der Graben verläuft nicht entlang der Parteilinien. In jeder Partei ist man gespalten.»

Harsche Kritik am Bundesrat und am BAG

Dobler beklagt zudem, dass die Nationalräte kaum auf die Politik Einfluss nehmen könnten. «Die Krise geht anderthalb Jahre und man hat es nicht geschafft, die Kommissionen einzubeziehen.» Vor allem aber übt er harsche Kritik am Bundesrat. Ein Krisenstab hätte die Pandemie besser bewältigt als der Bundesrat und das BAG, sagt Dobler. Krisenbewältigung sei beim BAG «nicht das Aufgabenfeld, für das die Leute kompetent sind.» Es seien die falschen Leute in dieser Position. Wenn schneller geführt worden wäre, hätte es verschiedene Probleme nicht gegeben. Das BAG sei, so Dobler weiter, digital nicht «fit». Es sei «eine grüne Wiese in der Digitalisierung».

«Ich bin ein Unternehmer, der es sich gewohnt ist, Entscheide datenbasiert zu treffen», sagt Dobler. Bern habe es aber nicht geschafft, den Kantonen Regeln mitzugeben, damit man einheitliche Zahlen habe. Entscheide seien aufgrund fehlender Daten nicht evidenzbasiert gefällt worden, sondern hätten einen willkürlichen Anstrich gehabt.