FC Aarau: Wirrwarr in der Trainersuche

Mehr als eine Handvoll Zuschauer bei einem Training des FC Aarau – wann gab es das zuletzt? Der Grund für das überdurchschnittliche Interesse am gestrigen Nachmittagstraining liegt auf der Hand: Die sieben Kiebitze wollen wissen, wer denn nun der neue FCA-Trainer ist, denn die 20-tägige Suchfrist ist abgelaufen. Nur: Die Übungen leitet wie schon in den vergangenen Wochen Stephan Keller. Was die Zuschauer nicht ahnen: Im Hintergrund braut sich ein Gewitter zusammen. Macht der FC Aarau nicht vorwärts in der Trainerfrage, drohen von Verbandsseite schmerzhafte Konsequenzen. Das Ganze könnte zur nächsten Posse im Brügglifeld werden – zum Leidwesen des FC Aarau.

Der Reihe nach: Wer das Trainerreglement des Schweizerischen Fussballverbandes (SFV) studiert, der kommt zum Schluss, der FC Aarau verstosse gerade dagegen. Denn dort steht im Artikel 5, «Trainerwechsel», sinngemäss geschrieben: Bei einer Trainerentlassung oder einem freiwilligen Abgang des Trainers muss der Verein dies innerhalb von drei Tagen dem SFV mitteilen. Falls ein Übergangstrainer eingesetzt wird, muss der mindestens im Besitz des Uefa-A-Diploms sein. Anschliessend erhält der Verein einen eingeschriebenen Brief vom SFV mit der Aufforderung, innerhalb von 20 Tagen eine reglementskonforme Lösung zu präsentieren. Heisst: einen Trainer im Besitz der Uefa-Pro-Lizenz.

Am 21. März hat der FC Aarau Cheftrainer Marinko Jurendic entlassen. Seither sind 23 Tage vergangen, also drei Tage mehr als die vom SFV vorgeschriebene Frist, in der ein Nachfolger mit den notwendigen Diplomen (Uefa-Pro-Lizenz) bekannt gegeben werden muss. Stephan Keller, der seit dem 21.März das Training leitet, hat nur das Uefa-A-Diplom. Erhält der FC Aarau nun eine Busse? Droht ihm ein Punkteabzug? Hat das Überschreiten der Frist gar Auswirkungen auf die Lizenzvergabe für die kommende Saison?

Noch nicht. Am Samstag beim Auswärtsspiel in Schaffhausen darf Keller nochmals an der Linie stehen. Dann ist Schluss, dann braucht der FCA einen neuen Übergangstrainer. Das weiss man im Brügglifeld seit gestern: Am Mittwoch stellt der FCA beim SFV ein Gesuch mit der Bitte, Keller bis Ende Saison als Cheftrainer zu erlauben. Man ist zunächst optimistisch, dass der SFV einwilligt, da Keller für den nächsten Berufstrainer-Lehrgang (BTL) angemeldet ist. Zu früh gefreut: Am Donnerstag lehnt der SFV das Gesuch ab. Begründung: Die Anmeldung für den BTL reicht nicht. Stattdessen müsste Keller für den Uefa-Pro-Lizenz-Lehrgang angemeldet sein, um eine Sondergenehmigung bis Ende Saison zu erhalten.

Die ursprüngliche Forderung des SFV an den FC Aarau, schon heute Freitag bis 12 Uhr einen passenden Trainer bekannt zu geben, ist mittlerweile überholt. Gemäss FCA-Vizepräsident Roger Geissberger habe man nun bis Anfang nächster Woche Zeit, eine geeignete Lösung zu finden. Beim Heimspiel am Mittwoch, 18. April, gegen Xamax aber muss der neue Mann an der Linie stehen: Ansonsten, so heisst es vom SFV-Hauptsitz aus Bern, drohen dem FCA «spürbare Konsequenzen, keine symbolischen». Näher wird auf die Form möglicher Bestrafungen nicht eingegangen. Gerüchtehalber sind im gestrigen Austausch zwischen Bern und Aarau die Worte «Konsequenzen für die Lizenzvergabe» gefallen.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Schliesslich ist die Jurendic-Entlassung über drei Wochen her. Zudem war die Trennung vom 40-Jährigen alles andere eine Überraschung, der FCA hätte also schon im Voraus Übergangs-Lösungen aufgleisen können. Hätte man das aktuelle Problem nicht elegant verhindern können?

Die Quelle des Wirrwarrs sind die unterschiedlichen Interpretationen des SFV-Trainerreglements: Der FCA glaubte, gegen die Hinterlegung einer Kaution (20000 Franken) und die baldige Bekanntgabe des Cheftrainers für die nächste Saison könne Keller für die verbleibenden neun Spieltage im Amt bleiben. Der SFV beharrt aber darauf, dass Keller auf dem Papier nur als Übergangslösung während der 20-Tage-Frist tauge. Verschwörungstheoretiker würden behaupten, dies sei die Retourkutsche des Verbands für die Entlassung von Jurendic, der in Bern einen exzellenten Ruf geniesst.

Man kann sich fragen: Warum stellt der FCA den Cheftrainer für die nächste Saison nicht jetzt schon ein? Antwort: Um zu verhindern, dass der neue Cheftrainer bei einem Anhalten der Resultatkrise bereits verbrannt ist, wenn im Juni die Vorbereitung auf die wegen der Stadion-Abstimmung im Frühjahr 2019 wichtigste Saison der Klubgeschichte beginnt.

Auch Ciriaco Sforza darf hoffen

Bleiben zwei Fragen: Wer wird Übergangstrainer für den Rest der laufenden Saison? FCA-intern wäre Sven Christ ein Kandidat, doch als technischer Leiter des Team Aargau ist Christ ein Doppelmandat untersagt. Der FCA muss also extern rekrutieren: Hinter vorgehaltener Hand fallen Namen wie Andy Egli, Alain Geiger und tatsächlich auch Raimondo Ponte.

Die brennendste aller Fragen aber ist: Wer wird in der nächsten Saison den FC Aarau trainieren? Es deutet weiterhin sehr viel auf Patrick Rahmen hin. Der Basler ist seit der Absage des Wunschkandidaten Urs Fischer in der Poleposition. Eine Chance hat auch Ciriaco Sforza. In den nächsten Tagen wird die entscheidende Verwaltungsratssitzung stattfinden, in der Sportchef Sandro Burki und Vizepräsident Roger Geissberger den restlichen Verwaltungsräten eine Auswahl von etwa drei Trainern präsentieren.

Fazit: Es gibt Reglemente und die muss nun mal einhalten, wer im Profikonzert mitspielen will. Aber nur um Fussball geht es im heutigen Fussball leider schon lange nicht mehr.