
Der Verwaltungsrat des FC Aarau war sich einig: Marinko Jurendic muss gehen
Überraschend ist höchstens der Zeitpunkt, nicht aber der Inhalt der Nachricht, die am Mittwoch um 21 Uhr die Redaktion erreicht: Der FC Aarau trennt sich per sofort von Cheftrainer Marinko Jurendic. Dass dieser Schritt in der zweiwöchigen Länderspielpause vollzogen wird, war nach der jüngsten Niederlagen-Serie zu erwarten. Dass es bereits am Mittwoch passiert, damit konnte jedoch nicht gerechnet werden: Denn der 21. März stand ursprünglich ganz im Zeichen des neuen Stadions im Torfeld Süd.
Der Entscheid der sechs FCA-Verwaltungsräte fiel einstimmig. Kurios: Jurendic durfte am Mittwoch ein letztes Mal das Training leiten, weil er in diesem von einem Inspizienten des Schweizerischen Fussballverbandes im Rahmen einer Weiterbildung geprüft wurde. Am Nachmittag dann wurde ihm die Entlassung von Sportchef Sandro Burki und Vizepräsident Roger Geissberger mitgeteilt.
Letzterer begründet die Entscheidung gegenüber der «Aargauer Zeitung» wie folgt: «Wir haben an einer Verwaltungsrats-Sitzung am Dienstag einstimmig beschlossen, Trainer Marinko Jurendic freizustellen. Menschlich kann man Jurendic nichts vorwerfen. Er ist ein guter Typ und ein hervorragender Kommunikator. Er versteht zweifellos sehr viel von Fussball, konnte seine Kenntnisse aber nicht auf die Mannschaft übertragen.»
Dazu passt: Vor wenigen Tagen hat Jurendic vor Managern einer Grossbank ein Referat gehalten und wurde dafür von höchster Stelle gelobt. Fachlich ist dem 40-Jährigen nichts vorzuwerfen. Die Theorie ist aber nur die halbe Miete, was zählt, ist das, was auf dem Platz geleistet wird. Geissberger sagt weiter: «Zur Freistellung von Jurendic haben die mangelhaften Resultate und die schlechten Leistungen der Mannschaft geführt. Ausserdem konnten wir innerhalb des Teams keine Fortschritte erkennen.»
Forte, Fischer oder Rahmen?
Wie geht es nun weiter? Im Testspiel am Donnerstag gegen den FC Zürich coacht Assistent Stephan Keller die Mannschaft, ab morgen leitet er die Trainings. Der ehemalige FCA-Spieler (Frühling 2004) kam im Sommer gemeinsam mit Jurendic ins Brügglifeld. Weil Keller jedoch die nötigen Diplome fehlen, ist er nur eine Lösung auf Zeit.
Geissberger sagt: «Stephan Keller wird die Mannschaft interimistisch trainieren und auf das nächste Pflichtspiel vorbereiten.» Dieses findet am Ostermontag, 2. April, (Anpfiff 16 Uhr) im Brügglifeld gegen den FC Winterthur statt. Ob Keller dann als Chefcoach auf der Bank sitzt, ist ungewiss.
Für die restlichen elf Ligaspiele gibt es drei Varianten. Erstens: Keller bleibt dank einer Ausnahmegenehmigung von der Swiss Football League Trainer bis zum Saisonende. Zweitens: In den nächsten Tagen wird ein Interimstrainer, der die nötigen Diplome besitzt (Sven Christ?), bis zum Saisonende vorgestellt. Drittens: Der neue Cheftrainer und rechtmässige Nachfolger von Jurendic übernimmt noch in dieser Saison.
Nachfolger im April bekannt?
Die letzte Variante ist unwahrscheinlich. Das Risiko, dass der neue Hoffnungsträger bereits zu Beginn seiner Amtszeit verbrannt wird, ist wohl zu gross. Sportchef Sandro Burki, der die Suche nach dem Cheftrainer für die nächste Saison in Angriff genommen hat, sagt zum Vorgehen: «Wir erstellen ein Anforderungsprofil und danach eine Liste mit möglichen Kandidaten. Möglich, dass der Nachfolger von Jurendic im April bekannt ist.»
Namen will Sandro Burki nicht kommentieren. Gerüchteweise werden aktuell fünf Kandidaten diskutiert: Urs Fischer, Patrick Rahmen, Uli Forte, Ciriaco Sforza und Jürgen Seeberger.
Erlösung für Aarau und Jurendic – Kommentar von Ruedi Kuhn
Der Verwaltungsrat des FC Aarau hat Trainer Marinko Jurendic entlassen. Der Entscheid der Führungscrew kommt nach den desolaten Leistungen der Mannschaft in den vergangenen Wochen nicht überraschend und ist zweifellos richtig. Umso mehr, weil in den nächsten Monaten um den FC Aarau eine Euphorie entstehen muss, um die Massen für ein «Ja» in der Stadion-Volksabstimmung zu mobilisieren. Das wäre mit Jurendic nicht möglich.
Der Hauptgrund für das Aus des 40-Jährigen ist so einfach wie der Fussball selbst: Dem Trainer wurde die Erfolglosigkeit zum Verhängnis. Jurendic hat mit dem FC Aarau 13 von 26 Pflichtspielen verloren, also jedes zweite. Und das nicht etwa in der Super League, sondern in der Challenge League. Das Cup-Out gegen die Amateure von Echallens war der Gipfel der Peinlichkeit.
Doch gegen Jurendic spricht mehr als nur die Statistik: Statt den vom Trainer versprochenen Spektakel-Fussball sah man meistens grottenschlechte Spiele ohne jeden Unterhaltungswert. Die Zuschauerzahlen sind auf einem Rekordtief angelangt. Eine Handschrift des Trainers war nie zu erkennen. Im Gegenteil. Die Spieler zeigten keine Emotionen, spulten ihr Programm leidenschaftslos runter und stemmten sich zuletzt nicht einmal mehr mit aller Macht gegen die Niederlagen. Von Jurendic wurden keine Wunderdinge erwartet. Doch wenn nicht einmal minime Entwicklungsschritte erkennbar sind, gibt es keine Alternative zur Entlassung.
Die Trennung vom Trainer ist nicht nur für den FC Aarau ein Befreiungsschlag, sondern auch für Jurendic selber: Nach der ersten Enttäuschung wird er in den nächsten Tagen selbstkritisch erkennen müssen, dass er zuletzt den Sinn für die Realität verloren hat. Anders ist nicht zu erklären, dass er nach den Blamagen gegen Rapperswil-Jona (0:2, 0:1) und der weiteren Ernüchterung in Wil (0:1) von guten Leistungen der Mannschaft sprach. Mehr noch: Jurendic sah Fortschritte, wo es keine gab.
Für den sympathischen Jurendic gilt nach der Entlassung das Gleiche wie für den FC Aarau: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
ruedi.kuhn@azmedien.ch