
Wie aus dem Restposten ein Schlüsselspieler des HC Thurgau wurde
Als Jaedon Descheneau und Cameron Braes vergangenen Herbst zum HC Thurgau stiessen, waren die Meinungen über die beiden Kanadier im Umfeld des Ostschweizer Klubs etwas vorschnell gemacht. Als Restposten vom Wühltisch des Sommerschlussverkaufs wurden sie von ungeduldigen Kritikern abgestempelt. Immerhin wieder einmal zwei talentierte Ausländer, die in das bescheidene Budget des Klubs passen würden, befanden verhaltene Optimisten.
Doch Descheneau und Braes liessen die kritischen Stimmen im Nu verstummen. Denn Trainer Stephan Mair, der gute Kontakte ins kanadische Eishockey pflegt, bewies insbesondere mit dem 22-jährigen Descheneau ein äusserst gutes Händchen: Mit 50 Skorerpunkten aus 41 Spielen belegt der Kanadier Rang sechs in der ligaweiten Skorerliste. Auch die Ausbeute in den Spielen gegen den EHC Olten lässt sich sehen: ein Tor, drei Assists in drei Spielen.
Auswärtsspiel als idealer Start
Selbstredend freut sich Jaedon Descheneau ungemein auf die bevorstehende Playoff-Serie: «Das wird ein grosser Spass. Ich denke, es wird eine umkämpfte Serie», sagt er. Es gäbe wohl nichts Idealeres, als zuerst auswärts gegen Olten antreten zu dürfen. «Sie haben immer viele Zuschauer und eine sehr gute Stimmung. Ich mag es, dort zu spielen. Das wird uns alle pushen, während sie schon ab Spiel eins unter Druck stehen», meint Descheneau und lacht verschmitzt.
Sie hätten im Thurgau ein intaktes Team, das sich blind verstehe und ungemein hungrig sei, was man auch der Statistik ansehe: «Einige unserer Jungs haben mehr als 20 Tore geschossen. Wir werden versuchen, in den Playoffs nochmals eine Schippe draufzulegen.»
Er sagt es nicht mit einer Überheblichkeit eines überzeugten Alltagsskorers. Im Gegenteil: Jaedon Descheneau wählt seine Worte bedacht und überlegt. Schon fast an Bescheidenheit nicht zu übertreffen will er sich bei Thurgau dafür bedanken, die Gelegenheit erhalten zu haben, in Europa Fuss fassen zu dürfen. «Ich bin glücklich, wie die Saison bisher verlief, und am Ende des Tages war es ein Erfolg, den ich nicht missen will, weil ich auf hohem Niveau spielen konnte und gegen sehr gute Eishockeyspieler antreten durfte.»
Potenzial noch nicht ausgeschöpft
Auf Nachfrage gibt der Jaedon Descheneau aber zu, doch nicht restlos zufrieden zu sein mit seinem ersten Europa-Jahr. Er habe sich einerseits für Europa entschieden, um wieder das Selbstvertrauen aus seinen Juniorenzeiten zu erlangen. Andererseits spüre der 22-Jährige, dass er sein Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft habe, was manchmal sehr frustrierend sein könne.
Nicht zuletzt will sich Descheneau hierzulande eine bessere Ausgangslage erschaffen und mit Leistungen auf sich aufmerksam machen. Schliesslich wurde Descheneau im Jahr 2014 in der fünften Runde von der NHL-Franchise St. Louis Blues gedraftet. Das war während seiner fünfjährigen Western-Hockey-League-Zeit bei Kootenay Ice, einem Juniorenteam. «Dieser Organisation verdanke ich alles, was ich bisher erreicht habe. Dort wurde ich gedraftet, dort wurde ich zu einem besseren Eishockeyspieler. Noch heute habe ich viel Kontakt mit den Leuten. Sie sind mir ans Herz gewachsen.»
Jaedon Descheneau wuchs in Leduc, einem Vorort von Edmonton, in einer «total hockeyverrückten Familie» auf, wie er erzählt. Er war noch nicht einmal drei Jahre alt, als der heutige Edmonton-Oilers-Fan von seinem Grossvater ein erstes Mal auf die Schlittschuhe gestellt wurde – Stock und Puck kamen alsbald dazu. Eine Leidenschaft war gefunden. «Meine Familie scheute keinen Aufwand, mich auch mal um fünf Uhr morgens stundenlang irgendwohin zu fahren, damit ich Eishockey spielen konnte. Sie haben viel für mich getan, dass ich heute meinen Traum leben darf.»
Die ersten Wechselgerüchte
Und dann wäre da noch das Thema des auslaufenden Vertrages beim HC Thurgau. Erstaunlich ehrlich sagt Jaedon Descheneau, dass er jeden Tag versuche, sich die besten Optionen zu erspielen – um zwischen den Zeilen zu sagen: Thurgau dürfte wohl nur ein Sprungbrett zu Höherem sein.
So wurde Descheneau kürzlich in Verbindung mit dem EHC Olten gebracht. Ob Verhandlungen laufen? «Gerüchte sind Gerüchte, sie gehören zum Geschäft. Ich und mein Agent wurden jedenfalls nicht kontaktiert», sagt er.
Klar ist viel mehr: Verliert der HC Thurgau die Playoff-Viertelfinalserie gegen Olten, wäre insbesondere für einen Kanadier die Saison Anfang März ungemein früh zu Ende. «Dann werde ich zwangsläufig einen längeren Sommer verbringen müssen», sagt Jaedon Descheneau lakonisch. Oder er bestreitet schon bald mit einem anderen Team wichtige Spiele. Denn der HC Davos hat für Thurgaus Hoffnungsträger Descheneau und Braes die B-Lizenzen gelöst. Die Eishockey-Schweiz ist unlängst auf zwei spannende Spieler aufmerksam geworden.