Abstimmung über den «Shutdown»

Kurz vor Donald Trumps Flug ans Davoser WEF kam es in den USA zu einem «Government Shutdown» – ohne bewilligtes Budget durfte die US-Regierung keinen Cent mehr ausgeben. Alles, was den Staat Geld kostet, wurde stillgelegt. Das heisst: Ämter und Behörden blieben geschlossen, bundeseigene Museen, Zoos oder Nationalparks waren zu. Die Hälfte der Beamten wurde in Zwangsferien geschickt. Einzig in den wichtigsten Staatsbetrieben, bei der Polizei, dem Geheimdienst oder dem Militär wurde weitergearbeitet. In den Jahren 1976 bis 2018 gab es 19 Government Shutdowns. Vier davon dauerten – wie der aktuelle – lediglich einen Tag.

So etwas ist in der Schweiz nicht möglich? Wer das glaubt, irrt. Am 4. März stimmen wir nicht nur über «No Billag», sondern auch über die «Finanzordnung 2021» ab – das Wort klingt nicht nach einem medialen Quotenrenner und fristet in den Medien ein MauerblümchenDasein. Aber das Thema hat es in sich. Hinter dem in einer Amtsstube kreierten knochentrockenen Namen verbirgt sich eine riesige Summe: 43,5 Milliarden Franken. Dieser Betrag – rund zwei Drittel der gesamten Einnahmen des Bundes – würde auf einen Schlag fehlen, falls Volk und Stände die Vorlage ablehnen. Zur Erinnerung: Bei der NoBillag-Initiative stehen lediglich 1,3 Milliarden Franken Radio- und Fernsehgebühren auf dem Spiel.

Der Grund für diese Abstimmung ist ein staatspolitischer Sonderfall. Zwar gibt die Verfassung dem Bund die Erlaubnis, direkte Bundessteuern und Mehrwertsteuern einzuziehen. Diese Kompetenz gilt aber nur befristet bis 2020. Die Frist soll jetzt um 15 Jahre bis 2035 verlängert werden. Falls das nicht geschieht, verliert der Bund auf den 1. Januar 2021 seine beiden wichtigsten Einnahmequellen – 22,5 Milliarden Franken an Mehrwertsteuer und 21 Milliarden an direkten Bundessteuern.

Dass derart grosse Einnahmeposten bloss auf einem Verfassungsprovisorium basieren, hängt mit der Entstehungsgeschichte der Eidgenossenschaft zusammen. Als die moderne Schweiz 1848 gegründet wurde, durften nur die Kantone Steuern einziehen. Der Bund musste sich mit Zolleinnahmen finanzieren.

Im Ersten Weltkrieg stiess diese Aufteilung der fiskalischen Ressourcen an ihre Grenzen: Die Mobilmachung, die hohe Arbeitslosigkeit und die Kriegsversorgung der Bevölkerung drohten den Bund zu ruinieren. In dieser Not erteilten 1915 sagenhafte 94 Prozent der Schweizer Stimmbürger «Bern» erstmals die Erlaubnis zum Steuereintreiben.

Eigentlich sollte die «Kriegssteuer» eine befristete Sache bleiben – wurde aber verlängert und dann in eine «Krisenabgabe» umgewandelt. 1939 beschloss der Bundesrat, eine Wehrsteuer zu erheben: Besteuert wurde fortan das gesamte Einkommen und Vermögen natürlicher Personen sowie der Gewinn und das Kapital juristischer Personen. 1958 hat man die Kompetenz des Bundes, direkte Steuern zu erheben, in der Bundesverfassung verankert – 1982 wurde die Wehrsteuer in «direkte Bundessteuer» umbenannt.

Auch die Warenumsatzsteuer (WUSt) ist ein Kind der Kriegszeit – 1941 als Wirtschaftsverkehrssteuer aus der Taufe gehoben. Sie ist uns unter dem Namen Mehrwertsteuer (seit 1996) erhalten geblieben und ausgebaut worden. So werden mit der Mehrwertsteuer auch Dienstleistungen wie die Kehrichtabfuhr erfasst.

Sind die beiden Steuern unbestritten? Bei der letzten Abstimmung über die Verlängerung der Finanzierung im Jahr 2004 stimmten immerhin 26,2 Prozent Nein. Im wohlhabenden Kanton Zug legte damals sogar die Mehrheit der Abstimmenden ihr Veto ein. Auch wenn es 2018 zu einem Ja kommen wird – aus der Warte des Bundes wäre es schlau gewesen, den alten Zopf abzuschneiden und die beiden Steuern nicht mehr zu befristen. Niemand weiss, wie die politische Wetterlage 2035 oder 2050 aussehen wird.