
Mineure haben den Eppenberg bezwungen
Einst war es ein Aprilscherz des Oltner Tagblatts: 1995 meldete die Zeitung exklusiv und auf einer ganzen Seite, der damalige Bundesrat Adolf Ogi habe sich zur sofortigen Realisierung des Eppenbergtunnels entschlossen. In einem Brief, den alle Gemeindekanzleien in der Region erhalten hätten, habe Ogi mitgeteilt: «Der Baubeginn erfolgt unmittelbar nach dem symbolischen Spatenstich am Samstag, 1. April 1995, zu dem Sie freundlich eingeladen sind.»
20 Jahre später, am 2. Mai 2015, fand der Spatenstich für den Eppenbergtunnel tatsächlich statt. Die Landesregierung war beim feierlichen Akt auch vertreten, allerdings nicht mit Adolf Ogi, sondern mit Verkehrsministerin Doris Leuthard. Die Aargauer Bundesrätin sagte damals, sie wäre auch bei der Eröffnung des Tunnels Ende 2020 gerne dabei, in welcher Funktion auch immer. Gestern Freitag hätte Leuthard die Chance gehabt, nochmals als Bundesrätin an den Eppenberg zu kommen. Doch beim offiziellen Durchstich beim Tunnelportal in Gretzenbach fehlte die Verkehrsministerin.
Meilenstein für den Bahnverkehr
Stattdessen war Anna Barbara Remund, Vizedirektorin des Bundesamts für Verkehr, aus Bern angereist. Remund, deren zweiter Vorname gleich lautet wie jener der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Mineure, versprach markante Verbesserungen, wenn der Tunnel im Dezember 2020 in Betrieb geht. «Das Projekt ist ein Meilenstein für den Bahnverkehr, bisher ist es sehr erfolgreich verlaufen», sagte sie. Künftig sollen während den Hauptverkehrszeiten zusätzliche Intercity-Züge zwischen Bern und Zürich verkehren.
Zudem stelle der Vierspurausbau zwischen Aarau und Olten sicher, dass trotz mehr Personenzügen auch für den Güterverkehr auf der Strecke genügend Kapazitäten vorhanden seien. Schliesslich profitiert die Region mit besseren S-Bahn-Verbindungen (siehe Artikel rechts).
Erdölfund im Tunnelgestein
Philippe Gauderon, Leiter SBB Infrastruktur, bezeichnete den Durchstich am Eppenberg ebenfalls als Meilenstein. Nach der Nord-Süd-Verbindung mit dem Gotthardtunnel und dem Vier-Meter-Korridor für den Güterverkehr stehe nun die Ost-West-Achse im Fokus. Mit Blick auf die Kosten von 855 Millionen Franken sagte Gauderon scherzhaft: «Ich hatte gehofft, das Erdöl, das beim Tunnelausbruch gefunden wurde, würde reichen, um das Projekt zu finanzieren.» Tatsächlich waren im Gestein, das von der Tunnelbaustelle zur ehemaligen Sondermülldeponie Kölliken transportiert wurde, geringe Spuren von Erdöl festgestellt worden.
Dies verzögerte die Bauarbeiten leicht, zudem bildete sich im September 2017 auf einem Feld in Gretzenbach ein fünf Meter tiefes Loch. Daneben habe im Tunnel zwar Abschnitte mit Lockergestein, aber sonst keine grösseren Zwischenfälle gegeben, sagte Gauderon. «Chapeau an alle, die dieses Projekt möglich machen», lobte er und betonte, der Tunnelbau sei terminlich und finanziell auf Kurs.
Wand blieb teilweise stehen
Nicht ganz nach Plan verlief hingegen der offizielle Durchstich. Die mächtige Tunnelbohrmaschine setzte sich zwar planmässig in Betrieb, nach kurzer Zeit zeigten sich erste Risse in der Wand, auf der ein riesiges SBB-Logo prangte – doch zum echten Durchstich kam es nicht. Vielmehr bröckelte die Wand, die für den feierlichen Anlass aus Armierungseisen und Spritzbeton gebaut worden war, nur im oberen Bereich ab, der untere Teil blieb stehen. Die Tunnelbohrmaschine hatte die dünne Wand nur angeknabbert und vor sich her geschoben. Später kippte die Wand leicht nach vorne, damit fehlte der Gegendruck für die Bohrmaschine, die schliesslich gestoppt wurde. Erst nächste Woche soll der Rest entfernt werden.
Dass der Durchstich nicht ganz perfekt gelang, tat der Freude am Tunnelportal indes keinen Abbruch. Mit einer Hebebühne wurden die Mineure aus der Tunnelbohrmaschine geholt, als der erste mit einer Statue der heiligen Barbara auftauchte, brandete Applaus auf.
Fertig ist das Projekt damit bei weitem nicht, mit dem Rohbau des Tunnels ist erst die Hälfte erreicht. Im Berg folgt nun der Innenausbau mit Schienen, Schwellen und Schotter sowie die Installation der Fahrleitungen. Ausserhalb des Tunnels werden zahlreiche Anschlussbauwerke erstellt (siehe Grafik unten rechts), damit die viel befahrene Strecke zwischen Aarau und Olten im Dezember 2020 für den vierspurigen Betrieb bereit ist.
von Fabian Hägler