Auf Rädern oder Kufen: Ein Steuermann für das ganze Jahr

 Im Winter lenkt Rico Peter den Zweierund Viererbob mit Talent und Leidenschaft durch die Eiskanäle. Im Sommer steuert der 34-Jährige ein weitaus grösseres Gefährt über die Aargauer Strassen. Als Lastwagenfahrer verdient er sich das Geld, das er für seine sportlichen Ziele ausgibt.

270000 Franken kostet Rico Peter eine normale Bobsaison. Weil die Olympischen Spiele ein erklärtes Karriereziel sind, packt der Kölliker in diesem Winter nochmals 50’000 Franken drauf. Investiert wird der Mehraufwand ins Material. Aerodynamischere Schlitten und schnellere Kufen sollen ihm und seinen Hintermännern in Pyeongchang den erhofften Erfolg bringen. Eine Olympiamedaille mit dem Viererbob lautet das erklärte Ziel.

Nach dem zweiten Platz bei der Hauptprobe und dem ersten Wettkampf auf der neuen Olympiabahn am Ende der letzten Saison darf Rico Peter solch hohe Ansprüche an sich und seine Anschieber stellen. Schliesslich hängt vom Resultat in Südkorea auch der weitere Verlauf der Karriere ab. «Ich lasse meine Zukunft bewusst noch offen. Mehrere Faktoren spielen eine Rolle», sagt der gelernte Landschaftsgärtner. Eine Voraussetzung für eine weitere vierjährige Olympiaperiode ist, dass sein eingespieltes Team bestehen bleibt. «Noch einmal ein neues Team aufzubauen, dazu bin ich nicht bereit», sagt Peter. Auch an die Sponsoren denkt er bei der Zukunftsplanung. «Diese investieren viel Geld in mich. Mit Rängen irgendwo zwischen 10 und 20 werde ich diesem Engagement nicht gerecht.»

Nur die Gegenwart zählt
Allzu intensiv will er vor dem grossen Moment auf der Bahn von Pyeongchang nicht über die Zukunft nachdenken. Die Gegenwart zählt. Nach EM-Silber mit dem Zweier (2014) und WMBronze mit dem Vierer (2016) soll nun also olympisches Edelmetall her. Bei seiner Premiere an Winterspielen 2014 in Sotschi war der 10. Platz im Zweierbob für ihn enttäuschend. Das Verlangen, es diesmal besser zu machen, hat auch seine Tätigkeit im Sommer beeinflusst. Anstatt wie üblich von Mitte März bis Ende September als Lastwagenchauffeur mit tolerantem Chef und grosszügiger Flexibilität bei der Firma Merz in Suhr zu arbeiten, quittierte er den Job diesmal bereits Anfang August. Denn das intensive wöchentliche Trainingsprogramm mit zwei Sprinteinheiten beim BTV Aarau, zwei Krafttrainings und zwei Tagen auf der Anschiebebahn in Andermatt schrie nach entsprechender Erholung. Dazu kommen Verpflichtungen im organisatorischen Bereich und bei der Sponsorensuche. Denn ein Bobteam funktioniert im Grunde wie ein kleines KMU. «Da ist man froh, muss man nicht jeden Morgen um sechs Uhr aus den Federn», sagt Peter.

Trotz allem Fokus auf die Querfinanzierung ist die Arbeit als Lastwagenchauffeur für den Aargauer Bobpiloten nicht nur Mittel zum Zweck. «Hinter dem Steuer zu sitzen, ist für mich auch eine Leidenschaft. Und dieses Gen liegt in der Familie. Die Tätigkeit war schon der Traumberuf meiner Eltern und meines Bruders», sagt der 34-Jährige.

Winter-Sommer-Synergien
Rico Peter sieht durchaus Synergien zwischen dem Sommer- und dem Winterjob, die ihn auch als Bobfahrer weiterbringen. «Ich muss selbstständig handeln, dazu bei der Disposition der Mulden ein Team führen. Und ich darf mir keine Fehler erlauben», sagt er. Umgekehrt profitiere das Geschäft vom sportlichen Ehrgeiz und seiner Disziplin. Und darf sich vielleicht sehr bald sogar rühmen, einen olympischen Helden in den eigenen Reihen zu haben.

VON RAINER SOMMERHALDER/AZ