Den finanziellen Realitäten ins Auge blicken

Reiden und Wikon haben eines gemeinsam: Die finanziellen Aussichten der Gemeinden sehen alles andere als rosig aus. Hier hören die Gemeinsamkeiten aber schon fast wieder auf. Denn während in Wikon der Gemeinderat mit einer satten Steuerfusserhöhung die drohenden strukturellen Defizite abschwächen will, wird in Reiden sehenden Auges weitergewurstelt.

Allen Ernstes plant der Gemeinderat Reiden für die nächsten Jahre mit einem gleichbleibenden Steuerfuss von 2,3 Einheiten. Um 40 Millionen Franken Schulden hat die Gemeinde bereits, aber ein Grossteil der politischen Führungsriege macht keine Anstalten, den Schuldenberg abbauen zu wollen. Angesichts des nach wie vor beträchtlichen Investitionsbedarfes ist das zwar auf den ersten Blick verständlich. Es ist aber schon recht erstaunlich, dass der Bericht der Controllingkommission unter solchen Umständen die finanzielle Situation zwar als «sehr angespannt» betitelt, den Steuerfuss von 2,3 Einheiten nur «als notwendig» erachtet – zumindest offiziell, aber auch nicht mehr. Hier wäre eine etwas klarere Ansage wünschenswert. Sowohl im Gemeinderat als auch in der Controllingkommission sitzt eine bürgerliche Mehrheit – ist das vielleicht ein Grund für die fehlende Kritik? Eine Steuererhöhung ist doch angebracht. Besser früher als später. Sonst wird das Erwachen ähnlich hart wie in der Gemeinde Wikon, wo der Gemeinderat jetzt auf einmal den Steuerfuss von 2,1 auf 2,5 Einheiten erhöhen will.

Nun ist also in Reiden wieder ein grösseres Schulhausprojekt geplant. Damit ist Reiden wieder dort, wo im Frühjahr 2015 der Souverän an der Urne das Vorhaben mit ähnlichen Dimensionen bachab geschickt hat. Kommt die Abstimmung im Juni 2018 zustande, wird man bereits über drei Jahre verloren haben: Ein Versagen, das seinesgleichen sucht. Beim Schulhaus und der Badi hofft die Gemeinde auf alternative Finanzierungsmöglichkeiten. Den Neubau der Bildungsstätte möchte man durch einen Investor gebaut sehen, die Gemeinde darf dann die Räume mieten. Eine auf den ersten Blick bestechende Idee. Doch es ist kaum anzunehmen, dass der Vermieter für Jahrzehnte mit dem gleichen Zins rechnet. Was, wenn sich das Zinsumfeld ändert? Von einer Gemeinde kann der Bürger verlangen, dass sie die notwendigen, wichtigsten öffentlichen Infrastrukturbauten zur Verfügung stellt. Und hier gehört ganz einfach die Schule dazu. Nicht dazu gehört aber eine Badeanstalt. Angenommen nun, dass hier keine Investoren gefunden werden, wird die Gemeinde wohl oder übel ihren Aktienanteil an der Badi Reiden AG erhöhen müssen. Mit dem rechtlichen Umbau von der Schwimmbadgenossenschaft in die Badi Reiden AG hat man die Probleme nur in neue Schläuche abgefüllt, aber bislang nicht wirklich gelöst. Es wäre konsequenter, die Badi zu schliessen. Zwar ist das Schleifen der Anlage zunächst kostenintensiv, längerfristig fallen aber so die Betriebskosten weg. Ein öffentliches Schwimmbad wie in Reiden wird im Betrieb nie selbsttragend sein, sondern ist finanziell ein «schwarzes Loch». Und ist zudem ein Nice-to- have. Im Gegensatz zu einem Schulhaus, welches ein Must-have ist. Warum man in Reiden bisher ohne mit der Wimper zu zucken Geld ins Schwimmbad gepumpt hat, aber sich mit dem Neubau eines Schulhauses schwertut, scheint unter solchen Massstäben unverständlich.

Spannend wird es in Wikon am kommenden Dienstag, wo die Gemeindeversammlung über die geplante Steuererhöhung zu befinden hat. Nach dem Nein zur Spychermatte, dem ausbleibenden Verkaufserlös und dem zusätzlich erwarteten höheren Steuerertrag durch die daraus resultierenden Zuzüge wäre eine Steuererhöhung nun eigentlich die Konsequenz. Aber ob dies der Souverän auch so sieht, ist nicht sicher. Wer zahlt schon gerne mehr Steuern? Doch man kann ganz einfach von der Gemeinde oder dem Staat nicht mehr oder gleichbleibende Leistungen erwarten und dann nicht bereit sein, diese ausreichend zu finanzieren. Die Alternative dazu könnte ein ganz massiver Leistungsabbau sein. Oder schliesslich die Aufgabe der Gemeindeautonomie. Aber mit wem sollte Wikon fusionieren? Etwa mit dem «finanziell siechenden» Nachbarn Reiden? Wohl kaum.

Eines ist klar: In Reiden und Wikon wird es Zeit, dass den finanziellen Realitäten ins Auge geblickt wird.