Heimat ist dort, wo man sich zu Hause fühlt

Die Fusionsabstimmung von Reitnau und Attelwil vom kommenden Sonntag, 26. November, wird nicht nur in den beiden Dörfern mit Spannung erwartet. Ein ganzes Tal, ein ganzer Bezirk, ein ganzer Kanton blickt ins obere Suhrental und fragt sich: «Fusionieren sie – oder fusionieren sie doch nicht»?

Attelwil und Reitnau bilden seit vielen Jahren ein Paradebeispiel, wie Zusammenarbeit über die Gemeindegrenzen hinweg funktioniert. Gemeinsamer Kindergarten, gemeinsame Schule, gemeinsame Feuerwehr, gemeinsame Gemeindekanzlei, gemeinsame 1.-August-Feier, gemeinsame Kultur- und Landschafts-Kommission, gemeinsame reformierte Kirchgemeinde, gemeinsamer Friedhof, gemeinsamer Zivilschutz und gemeinsame Wasserversorgung. Bestimmt habe ich noch einige Gemeinsamkeiten vergessen. Vieles spricht in diesen beiden Gemeinden dafür, dass nun der weitere Schritt, die Fusion, beschlossen wird.

Fusionieren ist ein einschneidender Moment für die Geschichte einer Gemeinde. Bürger verbinden mit ihrem Ort ganze Lebensgeschichten. Sie sind hier geboren, gingen hier zur Schule, lieben, leben und fühlen sich ganz einfach wohl in ihrem geliebten Dorf. Diese heimatlichen Gefühle lassen sich nicht wegdiskutieren und auch nicht in politische Prozesse einbinden. Man kann sie in der Fusionsfrage auch nicht ausblenden.

Doch was weckt denn dieses Heimatgefühl? Ist es der Name der Gemeinde? Oder ist es das Leben im Dorf? Der Ort, wo man wohnt, die Freunde, die Vereine oder die Treffpunkte? All diese Dinge sind wichtig für den Zusammenhalt und geben einem ein gutes Gefühl. Dass dies so bleibt, muss jeder das Seine dazutun. Und seien wir doch ehrlich: Das richtig gute Heimatgefühl hängt doch nicht davon ab, ob unsere Gemeinde mit dem Nachbarn fusioniert oder nicht. Heimat ist dort, wo man sich zu Hause fühlt, egal wie der Ort heisst.

Während in Reitnau viele Stimmberechtigte für eine Fusion mit Attelwil sind, scheinen die Einwohner der siebtkleinsten Gemeinde im Kanton Aargau doch eher skeptisch zu sein. Die Landwirte bilden in Attelwil die grösste Gruppe der Fusionsgegner. Verständlich, sind viele von ihnen doch bereits über Generationen hier verwurzelt. Aber gerade für sie kann die Fusion auch eine Chance sein. Schliessen sie sich mit den Landwirten aus Reitnau zusammen, ergibt sich eine grosse und starke Gruppierung. Stellen sie es richtig an, können sie als einziger Berufszweig im fusionierten Dorf zwei, wenn nicht gar drei Gemeinderäte aus ihren Reihen in den Rat bringen.

Wenn Attelwiler Bauern öffentlich Ängste schüren, die Reitnauer Berufskollegen würden ihnen Land wegnehmen, dann vergessen sie, dass es Leute aus ihrem Dorf waren, die in Reitnau Land erhielten, um sich dort etwas aufzubauen.

Auch wenn die Reitnauer an der Gemeindeversammlung mit 128 zu 0 Ja zur Fusion gesagt haben, ist dieser Zusammenschluss noch nicht in trockenen Tüchern. Die Reitnauer verfolgen ganz genau, was in der Nachbargemeinde vor sich geht. Manch einer wird sich sagen: «Wenn ihr nicht wollt, lasst es bleiben, wir müssen nicht fusionieren!»

Ein Scheitern der Fusion hätte Signalwirkung. Denn wenn Attelwil und Reitnau sich nicht zusammenschliessen, wer dann im Tal? Moosleerau und Kirchleerau? Staffelbach und Schöftland? Nein, Attelwil und Reitnau müssen den Anfang machen, denn das Fusionieren wird weitergehen. Man muss den Tatsachen ins Auge blicken: Die kleinen Gemeinden haben langsam, aber sicher ausgedient. Jeder politische Wirbelsturm bringt sie ins Wanken. Der neue Finanzausgleich ist ein weiteres Beispiel dafür. Mehr Schultern können deshalb die Herausforderungen der Zeit besser tragen.

Die Fusion ist kein Allerweltsmittel und löst auch nicht alle Probleme einer Landgemeinde. Aber sie ist ein erster Schritt, um gestärkter in die Zukunft zu gehen.