Der Nutzen von Fusionen ist umstritten

Am Anfang stand wie von Volksmund genannt «Nicht ganz 100» oder – mit offizieller Bezeichnung – das Strukturprogramm «Luzern 99» des Kantons. Innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte wurden damit diverse Reformen im Kanton angepackt. Dazu gehörte auch die Reduktion der Sitzzahl im Kantonsparlament. Der wohl tiefgreifendste Prozess fand jedoch auf kommunaler Ebene statt: Die Zahl der Gemeinden im Kanton Luzern reduzierte sich in einem zuweilen schmerzhaften Prozess von 107 auf 83.

Noch heute wirken die Vorgänge von damals nach. Das zeigte sich auch an der Buchpräsentation von «Weniger ist mehr? 20 Jahre Gemeindereform im Kanton Luzern 1997–2017» in Beromünster. Bei der Podiumsdiskussion waren die Teilnehmer sich über den Nutzen der Gemeindefusionen uneins. Christoph Schaltegger von der Uni Luzern äusserte sich sehr kritisch: «Gesamtschweizerisch im Durchschnitt ist dieses Rezept nichts wert». Schaltegger betreute eine Studie, die zum Schluss kommt, dass die angepeilten Spareffekte ausbleiben. «Die Skaleneffekte haben sich nicht materialisiert.» Stephan Käppeli von der Hochschule Luzern hingegen erklärte, dass jene Studien die Einsparungen beim Kanton nicht berücksichtigen würde, zudem die raumplanerischen Freiheiten bei einer fusionierten Gemeinden «ein guter Punkt» seien. Man könne Zonen besser situieren. Und er stellte sich auf den Standpunkt, dass die derzeitigen Gemeindestrukturen aus dem 19. Jahrhundert stammen würden. «Was wichtig ist: Eine Fusion als einen möglichen Weg zu sehen, um Probleme zu lösen», sagte Käppeli.

«Neue Perspektiven»
Charly Freitag, Gemeindepräsident Beromünsters, konnte aus den Erfahrungen einer fusionierten Gemeinde erzählen. Beromünster schloss sich 2004 zunächst mit Schwarzenbach, 2009 mit Gunzwil und 2013 mit Neudorf zusammen. Die Fusion «hat neue Perspektiven gegeben. Gesamthaft bieten sich neue Möglichkeiten an», erklärte Freitag. Auf der Verwaltung könnten Pensen besser ausgelastet werden. Die Finanzkennzahlen Beromünsters seien heute besser als diejenigen der vier einzelnen Gemeinden. «Gesellschaftlich und finanziell hat es sich gelohnt», so Charly Freitag. Armin Hartmann hingegen, Gemeindepräsident in Schlierbach und Vorstandsmitglied im Verband Luzerner Gemeinden, führte aus, dass sich Schlierbach für den Alleingang entschieden habe, dies das Beste sei. Schlierbach habe 31 überkommunalen Zusammenarbeiten. «Es gibt wenige überlappende Räume», erklärte er. Wortmeldungen von Gästen blieben nicht aus. Der ehemalige Regierungsrat Kurt Meyer äusserte die Überzeugung, dass die kleineren Gemeinden all die Aufgaben, «die vom Kanton kommen, nicht auf Dauer alleine lösen können». Und: «Ich glaube nicht, dass Kleinstgemeinden auf die Dauer überlebensfähig sind». Hansjörg Gassmann (Wauwil), einst Regierungsstatthalter, wies zudem noch auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin. Nämlich, dass bei einer grösseren Gemeinde es leichter sein könnte, die diversen Ämter neu zu besetzen.

«Es hat die Karte des Kantons markant verändert», bilanzierte Regierungsrat Paul Winiker die Fusionsvorgänge der letzten 20 Jahre. Das Umfeld der Gemeinden wandle sich. Die Gemeinden könnten gesellschaftlich, ökonomisch und technisch an ihre Grenzen stossen. Allerdings sei das Ziel, dass Fusionen und Kooperationen von unten wachsen sollten, so Winiker. Die ursprüngliche Idee des Kantons von 50 bis 60 Gemeinden wurde als nicht erstrebenswert erachtet. Auch die Richtungszahl von mindestens 3000 Einwohnern pro Gemeinde wurde verworfen.

Derzeit eine Fusionsabklärung
Im Kanton Luzern ist derzeit noch ein Fusionsprojekt am Laufen. Die Gemeinden Altishofen und Ebersecken haben Fusionsabklärungen gestartet. Es gibt eine Projektsteuerung, die sich bereits mehrere Male getroffen hat. Fachgruppen sollen Grundlagen abklären und Lö- sungsvorschläge machen. Am 15. November werden die Einwohner von Altishofen und Ebersecken über den Zwischenstand informiert. Die Vernehmlassung zum Fusionsvertrag ist für den Juni 2018 vorgesehen. Eine mögliche Urnenabstimmung würde wohl im Herbst 2018 stattfinden.

 

Weniger ist mehr? 20 Jahre Gemeindereform im Kanton Luzern 1997–2017. 336 Seiten. ISBN: 978-3-271-60038-4. Erhältlich ab 1. Dezember. Der Bezug ist vom Staatsarchiv Luzern möglich.