
Zum aus der Haut fahren
Eigentlich bin ich ein ziemlich geduldiger Mensch. Manchmal stosse aber auch ich mit meiner Beherrschung an meine Grenzen. Etwa dann, wenn meine Tochter gemächlich auf allen Vieren die Treppe hochsteigt, während ich ihr folge. Mit der zweiten Tochter auf dem einen und der vollen Einkaufstasche auf dem anderen Arm. Dabei wird es mir wieder schmerzlich bewusst: Die Welt hat zu viele Bremser.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Im Grunde genommen bin ich stolz auf meinen ältesten Nachwuchs. Als Zweijährige eine Wendeltreppe hochzusteigen, ist nicht ohne. Was mich mehr ärgert, sind die Erwachsenen, die sich nicht wie solche verhalten und meine Geduld aufs Ärgste strapazieren.
Ich fahre beispielsweise spätabends auf einer dreispurigen Autobahn, selbstverständlich den geltenden Verkehrsregeln entsprechend unter dem Tempolimit und auf dem rechten von drei vorhandenen Spuren. Denn viel Verkehr hat es ja um diese Zeit nicht mehr. Und dennoch gibt es sie, diese Lenker, die viel zu langsam fahrend auf der mittleren Spur kleben. Für mich sind solche Situationen zum aus der Haut fahren.
Ein weiteres Beispiel: Ich möchte aus dem Zug oder Bus steigen. Bei der Haltestelle öffnet sich zwar die Tür, wirklich frei ist mein Weg jedoch nicht. Anstatt zu warten, bis alle Personen ausgestiegen sind, stehen die einsteigenden Fahrgäste möglichst nahe – oder sogar vor – die Tür. Es könnte ja sein, dass man keinen Sitzplatz mehr erwischt und noch länger stehen muss.
Ebenfalls äusserst mühsam sind jene Leute, die mitten im Weg stehen bleiben. Etwa beim Schlendern durch die Stadt, oder in der Kantine über die Mittagszeit. Das Schlimmste dabei: Sie merken es nicht einmal – ausser, man rempelt sie unsanft an.
Vielleicht sollte ich das nächste Mal, wenn mir wieder ein Bremser in die Quere kommt, jenes Rezept anwenden, das bei meiner Tochter prima funktioniert. Wenn es mir auf der Treppe nämlich zu lange dauert, packe ich sie einfach unter den Armen und trage sie hoch.
Bsetzistei ist die wöchentliche Kolumne der Redaktorinnen und Redaktoren des Zofinger Tagblatts und der Luzerner Nachrichten.