
«Billag» für jeden Klimbim?
Mit einem Zufallsmehr von 3700 Stimmen hat das Schweizer Volk 2015 beschlossen, die Radio- und Fernsehgebühren beizubehalten – und sich die Politik danach – insbesondere vor dem Hintergrund der «No-Billag»-Initiative – geschworen, das Leistungsangebot der SRG zu hinterfragen. Passiert ist nichts.
Mit der Debatte über die «No Billag»-Initiative – sie will die Radio- und TV-Gebühren gänzlich abschaffen – haben wir in der Herbstsession einen parlamentarischen Leerlauf erlebt. Die Meinungen waren schon vor der Debatte gemacht – wie zuvor auch im Ständerat – dennoch trugen sich nicht weniger als 69 Nationalratsmitglieder in die Rednerliste ein. Die resultierende Diskussion dauerte Stunden, sie musste auf zwei Sitzungstage verteilt werden. Die Argumente wiederholten sich – und viele Ratsmitglieder sonnten sich im Licht der Scheinwerfer von SRF.
Das Resultat der Debatte? Eine Empfehlung an die Stimmbürgerinnen und -bürger, nächstes Jahr nein zu «No Billag» zu sagen. Das würde heissen, SRF entscheidet weiterhin selbst, was zum Service public gehört und was nicht. «Glanz und Gloria», ein Porno-Krimi wie gestern Abend … Das Angebot der SRG ist ausufernd – viele Sendegefässe haben mit nationalem Zusammenhalt wenig zu tun. Sport: Enorme Summen für Übertragungsrechte – Ronaldo und Co. wollen finanziert sein. Schweissen Formel-1-Rennen und das entsprechende Engagement von SRF unsere Landesteile zusammen?
Blendet Leuthard in ihrer Funktion als Medienministerin bei der Formel 1 die Energiewende aus? Kann sein – aber sie hat keinen Einfluss auf das Programm von SRF. Das ist gut und richtig so. Auch beim Staatssender muss Pressefreiheit herrschen – wobei sich die Zusatzfrage stellt, wo die Grenze zwischen Journalismus, Tingeltangel, Klimbim und Blödelei verläuft.
Steuern kann man das Staatsmedium nur über die Ressourcen, über die zur Verfügung gestellten Gelder. Hand aufs Herz: hat SRF – insbesondere das Regionaljournal am Radio – im Vorfeld über die Wahlen in ihrer Gemeinde berichtet, die Ausgangslage vorgestellt? Wenn Sie nicht in Aarau, Baden, Brugg oder Zofingen leben – kaum. Die Knochenarbeit der in einer direkten Demokratie wichtigen Informationsarbeit beschränkt SRF vornehm und weitgehend auf Bundes- und Kantonsebene.
Eigentlich gut für lokale und regionale Zeitungen, die sich über den Leser- und Werbemarkt finanzieren müssen. Sie erhalten so eine Nische, in der sie einzigartig und für politisch Interessierte unverzichtbar sind. Aber nur solange Leute bereit sind, diese Blätter – freiwillig – zu finanzieren. Wie lange noch? SRF versucht einen Keil zwischen Verleger, Leser und Gemeinden zu treiben.
SRF hat im Vorfeld zweiter Wahlgänge den Gemeinden aufgezeigt, dass es nicht nötig ist, amtliche Publikationen in Bezahlmedien zu veröffentlichen. Die Homepage der Gemeinde ist ausreichend. Mehrere Tausend Franken lassen sich einsparen – so die Botschaft. Wo werden künftig Gemeindevorlagen kontrovers vorgestellt, wo Leserbriefe publiziert?
Der Bundesrat bekämpft die No-Billag-Initiative mit dem Argument, dass die Meinungs- und Angebotsvielfalt in Radio und Fernsehen gefährdet sei, wenn die Zwangsgebühren abgeschafft würden. Aus liberaler Sicht ist das Gegenteil richtig: Die grosse Mehrheit der unter 29-Jährigen hat ihr Medienbudget mit den 451 Franken Billag ausgeschöpft, zu der ja auch noch der Kabel-TV-Anschluss gerechnet werden muss. Für eine Bezahlzeitung ist da meist kein Platz. Auf der Strecke bleiben lokale Informationen und eine politische Meinungsbildung mit einer Vielfalt an Stimmen.