
In der Hoffnung, dass er nicht wiederkommt
Wenn Roger Tatz vor der Tür steht, kommt alles gut. Breitschultrig, grossgewachsen, einen Tank in der Hand, ein Lächeln im Gesicht. Seine Erscheinung ist eine Erleichterung. Roger Tatz ist Schädlingsbekämpfer. Bei Menschen, deren Zuhause von Bettwanzen befallen ist, spricht Roger Tatz von Menschen, die teilweise nervlich am Ende sind. «Leute, die schon alles probiert haben.» Leute, bei denen sich die Bettwanzen nicht nur in der Matratze, sondern auch im Kopf festgekrallt haben. Ihnen treibt er sie aus. Es sind aber nicht nur Bettwanzen. Wespen, Ameisen, Schaben, Kakerlaken, Silberfischchen, Ratten oder Mäuse – sie alle bringen Menschen um den Schlaf, verseuchen Lebensmittel oder belasten sie auf eine andere Weise. Internet und Hausmittel reichen vielfach nicht aus. Dann kommt der Griff zum Telefon.
Schaben gibt es überall
Roger Tatz klingelt an einer Wohnungstür in Malters. Es ist Freitagmorgen, der zweite Kunde. Tatz wird freundlich von einer vierköpfigen Familie empfangen. «Ich finds gut, dass jetzt jemand da ist», sagt die Frau. Die Vermieterin hätte sie anfangs nicht ernst genommen. Die Schuhe muss er nicht ausziehen. «Die Kunden sind froh, wenn du kommst, aber auch froh, wenn du wieder gehst», sagt Roger Tatz später. Er schreitet der Kundin folgend direkt ins Schlafzimmer. Mit dem Tank in der Hand sehen die Kinder in ihm wahrscheinlich den Ghostbuster; der, der die bösen Geister mitnimmt und den ruhigen Schlaf bringt.
Ruhigen Schlaf bringt Roger Tatz, der mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Schüpfheim wohnt, ins Obere Wiggertal gleichwohl wie ins Urner Schächental. Er ist einer von zwei Schädlingsbekämpfern der Zentralschweizer Filiale der Firma Desinfecta AG. Regionale Unterschiede kann er kaum ausmachen. Schaben beispielsweise gebe es überall, und der Befall sei kein rein städtisches Problem. Der einzige Unterschied: Menschen in Landregionen würden eher selber Hand anlegen. Vielfach seien es auch Feuerwehren, die Wespennester beseitigen.
Beraten statt Jagen
In Malters liegt es nun an ihm, das Wespennest zu entfernen. Die Frau zeigt ihm die Stelle im Storenkasten, wo sie eins vermutet. Roger Tatz zündet mit seiner Taschenlampe hinauf, doch er findet kein Wespennest vor. «Jetzt fangen sie an zu bauen», sagt Roger Tatz. Dann sprüht er ein Insektizid in den Hohlraum, mehr kann er im Moment nicht tun.
Wenn Roger Tatz vor der Tür steht, wird nicht immer alles gleich gelöst. «Manche Leute meinen, du kommst mit der grossen Giftspritze und der Chemiekeule», sagt Roger Tatz. Oder es heisst: «Ihr könnt alles vergasen, nehmt richtig viel Gift mit.» Mit Gift und Chemikalien gingen sie jedoch zurückhaltend um, meint Roger Tatz. Ganz darauf verzichten können sie aber noch nicht. Als Roger Tatz vor fünf Jahren seinen Job bei der Desinfecta AG antrat, musste er zuerst einen Kurs als Schädlingsbekämpfer absolvieren. Vieles habe er aber bei der Arbeit gelernt, sagt er.
Die Kundin in Reiden sitzt auf dem Bett und sagt: «Ich habe schon Horrorgeschichten gehört, dass die Wespen durch die Wände hindurch gehen.» Roger Tatz beschwichtigt: Dieser Fall könne höchstens im Herbst auftreten, wenn es draussen kälter wird. Zudem müsse es schon etwa zwei Millimeter dicke Spalten haben. Richtige Kommunikation und Beratung seien die wichtigsten Teile seiner Arbeit, erklärt Roger Tatz später.
Zu Beginn hat er sich gegraust
Roger Tatz mag seinen Job. Der 45-Jährige möchte ihn bis zu seiner Pensionierung ausführen. Es sind aber nicht die Insekten, die ihn so sehr interessieren, er hat keinen Schaukasten mit Insekten zu Hause. «Selber will ich sie nicht haben.» Zu Beginn seiner Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer habe ihn der Anblick vieler Schaben sogar gegraust. Es sind vielmehr die unvorhersehbaren Situationen, wie diese in Malters, die für ihn den Reiz ausmachen. Und er gefällt sich in der Rolle des Helfers. Es ist die Art von Wertschätzung, die er erhält, wenn die Kunden, sichtlich entlastet, die Haustür hinter ihm schliessen. Eine Wertschätzung, die ihm als Bäcker und Chef in einem Getreidesilo nie so direkt zuteilwurde. «Als Bäcker siehst du nicht, wie glücklich der Kunde ist.» So schliesst auch die Frau in Malters die Tür hinter ihm zu – in der Hoffnung, dass er nicht mehr wiederkommt.