«Es hat einen Neuanfang gebraucht»

Cédric Schneuwly, wie fühlt man sich als Captain des EHC Olten?
Cédric Schneuwly: Sehr gut – es ist eine grosse Ehre für mich. Ich war zuletzt als Junior Captain einer Mannschaft und hatte mich damals schon sehr über dieses Amt gefreut und es gerne ausgeübt. Nun ist es natürlich noch spezieller, Captain einer Profi-Mannschaft zu sein.

Sie wurden von den Teamkameraden mit rund 80 Prozent zum Captain gewählt. Gibt es Ihnen zu denken, dass Sie nicht 100 Prozent Support im Team haben?
Ach, nein, ich sehe das gelassen. Das ist doch in jeder Mannschaft so. Jeder darf seine eigene Meinung haben. Man darf auch nicht das Gefühl haben, dass man es jedem recht machen kann. Das werte ich überhaupt nicht persönlich – im Gegenteil. Es ist doch gut, wenn auch mal etwas Gegenwind herrscht. Wenn wir alle nur stur in eine Richtung schauen würden, wäre das überhaupt nicht förderlich.

Die Entscheidung fiel schliesslich zwischen Marc Grieder, Tim Bucher und Ihnen.
Sie sind Assistenzcaptains. Ich denke, wir haben nun ein sehr gutes Captainteam. Es spricht natürlich für unsere Mannschaft, dass wir sehr viele Leaderfiguren haben. Spieler, die auf einen enormen Erfahrungsschatz zurückgreifen können. Die Captain-Last liegt also nicht nur auf meinen Schultern, wir können es gut verteilen. Ausserdem sind es nicht nur wir drei, die etwas sagen dürfen. Wir brauchen jeden Einzelnen im Team, jeder soll aufstehen, wenn ihm etwas nicht passt.

Über welche Unstimmigkeiten diskutiert denn ein Captainteam? Können Sie ein Beispiel geben?
Das kann sehr vielfältig sein. Das fängt – nimmt man das Trainingslager als Grundlage – beim Dresscode an, geht bis hin zur Organisation eines Abends: Gehen wir alle zusammen dorthin oder teilen wir uns auf – halt solche Sachen. Manchmal muss man sich auch um mühsame Details kümmern, die vielleicht für einige selbstverständlich sind, für andere weniger. Aber auch das gehört zu einem Captainamt.

Haben Sie auch etwas Respekt, plötzlich mit so vielen Leadertypen in der Garderobe zu sein?
Ich glaube, für mich ist es extrem wichtig, solche Leadertypen wie Grieder oder Bucher im Team zu haben – ich könnte auch andere aufzählen. Sie alle sind sehr wertvoll, um auch persönlich einen Schritt vorwärtszukommen. Auch als Captain hat man nie ausgelernt.

Werden Sie ein lauter Captain sein?
Ich stehe gerne auf, aber es bringt nichts, wenn ich in jeder Drittelpause etwas sage. Ich spreche jeweils dann etwas an, wenn mir etwas aufgefallen ist. Das beste Beispiel hierfür ist Marco Truttmann, der in der Regel in der Garderobe vor und während eines Spiels nicht viel sagt. Aber wenn er aufsteht und etwas zu sagen hat, dann wissen alle, dass es etwas Wichtiges sein muss. Er hat eine grosse Ausstrahlungskraft. So muss es sein, dann hört auch jeder zu. Und dazu soll jeder die Möglichkeit haben. Ein Team sollte an einem Spiel aus 22 Leadertypen bestehen.

Es gibt verschiedene Modelle, wie man den Captain bestimmt. In anderen Teams, wie beim SC Bern, sagt der Coach, wer Captain wird. In Olten wird im Plenum entschieden. Was ist besser?
Ich finde es besser, wenn das Team entscheidet, dann ist die Mehrheit auch zufrieden. Ich habe beides schon erlebt: In Zug war es so, dass der Trainer bestimmt hat, wer Captain ist. Als ich in Langnau war, gab es den Fall, dass der Captain vom Staff bestimmt wurde, jener Spieler aber im Team gar nicht beliebt war, sodass es dann eher kontraproduktiv ist, wenn der Spieler per se im Team nicht als Captain angesehen wird. Das kann bei einem Teamentscheid eigentlich nicht passieren.

Sie sind als Captain auch das Bindeglied zwischen Team und Trainer Gustafsson. Wie beschreiben Sie Ihre Beziehung zu ihm?
(schmunzelt) Gus ist ein Nordländer, ein lockerer Typ mit gutem Humor. Er ist selbst auf dem Eis für ein Spässchen zu haben und zählt natürlich neben dem Menschlichen auch fachlich zu den besten Trainern in der Schweiz. Er ist ein sehr angenehmer, umgänglicher Typ. Er ist auch nicht besonders emotional, spricht oft sehr sachlich. Wird er mal richtig laut und wütend, weiss der Hinterletzte: Jetzt ist Fünf-vor-Zwölf.

Sie gehen nun in die vierte Saison beim EHCO: Hat es Sie angesichts dessen überrascht, dass Sie nun Captain sind? Man darf als 25-Jähriger schon etwas von einem steilen Aufstieg sprechen.
Ich bin einer, der nicht auf die ‹Schnurre hockt›, wenn etwas nicht passt. Wenn wir nicht gut spielen, dann sage ich etwas in der Kabine, so bin ich erzogen worden. Das hat vielleicht eher mit gewissen Charakterzügen zu tun, dann beginnt man schneller mal an eine Führungsrolle zu denken. Klar, ich bin mit 25 Jahren noch ein relativ junger Captain. Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass es diese Saison schon klappen würde. Und dennoch: Ich habe im Sommer einiges dafür gemacht, auch für die Mannschaft, sodass alle gespürt haben: Der Schneuwly ist bereit für diese Rolle und er freut sich darauf.

Was haben Sie denn für eine Vorarbeit geleistet?
Wir haben schon früh im Sommer für die Mannschaft gearbeitet. Wir hatten ja noch keinen Sportchef und haben daher auch mal einen speziellen Trainingsanlass oder ein Teamevent, wie etwa ein Grillfest, selber organisiert. Auch die Garderobenordnung haben wir schon früh in die Hand genommen: alt, jung, alt, jung oder auch Bisheriger, Neuzugang und so weiter. Es sollen sich nicht gewisse Grüppchen bilden, wie etwa hier die Welschen, dort die Englischsprechenden. Ausserdem finde ich es auch wichtig, dass nicht jemand Captain wird, der neu zum Team gestossen ist, sondern die Mannschaft, den Klub, die Führung schon etwas kennt – und da kamen nach diesem Sommer ja nicht viele infrage.

Es ist viel passiert in diesem Sommer. Wie stehen Sie diesem radikalen Umbruch gegenüber?
Es gibt immer verschiedene Ansichten. Aber es ist nun mal so, dass die vergangene Saison schlecht war: In der Qualifikation hatten wir Mühe, in den Playoffs lief gar nichts mehr. Ich schaue dem Umbruch positiv entgegen. Ich sehe es als Neuanfang, eine neue Chance – für den Verein, für die Mannschaft, für alle Beteiligten. Es ist nicht alltäglich, 15 neue Spieler im Team zu haben. Es erstaunt daher auch nicht, dass wir uns noch finden müssen, vor allem auf dem Eis. Es war sicher eine intensive Zeit, auch nach der Saison, als man immer wieder gehört und gelesen hat, wer geht und wer kommt. Auch für die Spieler, die schon länger dabei sind, wie etwa Aeschlimann oder Hirt, war es nicht einfach. Ich glaube aber, es hat diese Veränderungen gebraucht.

Die vergangene Saison wurde aufgearbeitet. Was zieht man für Schlüsse daraus?
Die ganze Saison war schwierig und sehr mühsam. Ich will nichts Schlechtes gegen Trainer Maurizio Mansi sagen, aber er war sehr detailbesessen. Auch neben dem Eis war er streng, er erlaubte nicht einmal Süssgetränke in der Garderobe. Jetzt haben wir den Kühlschrank wieder gefüllt, Gustafsson interessiert es nicht, was wir machen, es zählt bei ihm die Leistung auf dem Eis. Es mögen Details sein, aber solche Sachen sind in der Summe ärgerlich. Wir hatten immer wieder kleine Kratzer einstecken müssen, die dann einmal zu viel wurden, um Erfolg zu haben. Wir wollen untereinander viel besser kommunizieren, sodass wir auch bei der Führung etwas ansprechen können, was uns stört. Und da sind wir auf gutem Weg.

Hat man den Spass in der letzten Saison verloren?
Ich glaube nicht, dass wir die Freude verloren hatten, aber man ging mit der Zeit oft nicht mehr so gerne in die Garderobe – vor allem nicht nach einer Niederlage, weil man wusste, dass man einmal mehr eineinhalb Stunden Videostudium vor sich hat. Wir hatten eine sensible Mannschaft, die nicht immer damit umgehen konnte. Auch ich ärgerte mich oft, sodass man lieber nach Hause wollte als noch ein stundenlanges Videostudium über sich ergehen lassen zu müssen.

Warum soll es in dieser Saison besser werden?
Es ist ein kompletter Neustart, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Wir haben das Saisonziel zwar noch nicht definiert, aber mit einer solchen Mannschaft wollen und müssen wir vorne mitspielen. Ich glaube auch, dass wir die Qualitäten dazu haben. Wir haben zwei gute Ausländer, extrem gute Goalies. Trotzdem braucht es aber noch Zeit, bis wir uns gefunden haben. Das ist auch ganz normal mit 15 neuen Spielern im Kader. Man hat als Stürmer quasi zwei neue Mitspieler neben sich. Wir müssen noch mehr zueinanderfinden, vor allem auf dem Eis. Wir müssen ein gutes Spielsystem finden, das zu uns passt und dann können wir extrem viel erreichen. In der Garderobe stimmt es bereits jetzt. Wir haben eine fantastische Zeit im Trainingslager erleben dürfen. Wir hatten es lustig und dies nicht gruppenweise, sondern jeder mit jedem. An den Tischen beim Essen ist jeder mal zu jedem hingesessen und hatte ein ‹Chäferfest›. Es macht Spass, dies zu spüren und zu sehen. Die Euphorie ist zurück, man spürt den frischen Wind. Das müssen wir versuchen auszunutzen.

Wie lange dauert es, bis ein Spielsystem mit 15 neuen Spielern gefunden ist? Haben Sie einen Zeithorizont?
Das ist ein stetiger Prozess. Wichtig ist sicher, dass wir bereits zum Saisonstart gegen Langenthal bereit sind. Das Spielsystem wird sich dann über die ganze Saison hin entwickeln und anpassen. Man muss wissen, dass zum Beispiel auch Langenthal ein neues Spielsystem hat und auch für andere Teams wird vieles neu sein. Daher sind die September-Spiele ziemlich herausfordernd, weil man nicht weiss, was der Gegner macht, und manchmal auch nicht, was man selber macht (lacht). Ich denke, im Oktober, November und Dezember holt man dann am meisten Punkte mit einem guten Spielsystem.

Die Aufbruchstimmung ist spürbar, aber gleichzeitig ist die Erwartungshaltung permanent hoch, vielleicht ist sie jetzt noch höher. Spürt man den Druck?
Es war sicher eindrücklich, bei unserem ersten Testspiel gegen La Chaux-de-Fonds schon über 1000 Zuschauer im Kleinholz zu sehen – und das noch während der Oltner Chilbi. Das war auch ein Zeichen an uns. Es ist so, dass es noch nie nur einfach war, in Olten Eishockeyspieler zu sein. Es ist eine hockeyverrückte Stadt. Es ist bestimmt nicht immer das einfachste Publikum. Gleichzeitig ist es aber das Allerbeste, wenn es läuft. Ich glaube, dass wir uns nur selber Druck auferlegen können. Wir dürfen auch nicht alle Meinungen in die Kabine tragen lassen. Klar, am Ende des Tages wollen wir, dass alle glücklich sind in dieser Stadt, aber wir dürfen von uns selber nicht zu viel verlangen. Es wird sich einpendeln müssen.

Wie kann man ein Team vor den äusseren Einflüssen schützen?
Wer nach einem schlechten Match Medienberichte oder Social-Media-Kommentare liest, macht sich damit vielleicht selber keinen Gefallen und setzt sich automatisch mehr unter Druck. Da trägt jeder selber etwas Verantwortung. Wir haben in den letzten Wochen gute Gespräche mit Fans geführt, in denen wir ihnen klargemacht haben, dass es niemandem hilft, wenn sie uns nach einem schlechten Match ‹Scheisse› geben, womöglich dabei sogar noch maskiert aufkreuzen. Eine ewige Negativstimmung kann eine Mannschaft kaputtmachen. Es ist uns ein Anliegen, dass wir uns alle, wir Spieler und auch die Fans, wieder einen Schritt näher kommen, aber dafür braucht es einen respektvollen Umgang miteinander. Erreichen wir das und ziehen alle an einem Strick, bin ich sicher, dass das auch positive Auswirkungen auf die Resultate haben kann.

Es wird immer wieder vom Aufstieg gesprochen. Vielleicht wäre es ruhiger rund um den Verein, wenn man nach dem Umbruch einen Schritt zurückmacht und sagt: Mal sehen, wie die Mannschaft funktioniert, mehr als die Playoff-Halbfinals wären Zugabe.
Meister will jeder werden, sonst spielt man nicht Eishockey. Aber bis dorthin ist es ein enorm langer Weg. Nur, weil wir nun 15 neue Spieler haben, heisst das noch nichts. Rapperswil und Langenthal sind fast dasselbe Team geblieben oder haben sich sogar noch verstärkt. Auch Ajoie, Visp oder La Chaux-de-Fonds sind sehr starke Teams, welche Spiele nicht verschenken. Hinzu kommt, dass in einer Saison viele Faktoren zum Tragen kommen – Verletzungen, Stimmung und vieles mehr. Vielleicht hat es aber schon seine Berechtigung, wenn man sagt: Wenn nicht in dieser Saison, wann dann? Wir werden jedenfalls alles geben, damit wir Meister werden.

Haben Sie persönlich noch Ambitionen, in der NLA zu spielen?
Auf jeden Fall. Ich habe das noch nicht abgeschrieben und fühle mich bereit dazu, dies mit Olten zu schaffen. Ich fühle mich als Oltner, bin nicht weit von hier entfernt aufgewachsen und würde gerne noch lange für Olten spielen. Deswegen habe ich auch verlängert. Würde ich woanders als in Olten spielen wollen, dann müsste es schon ein gutes Angebot sein. Ich möchte nicht als 13. Stürmer eines NLA-Teams auflaufen. Obwohl ich erst 25 Jahre alt bin, kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich dafür zu alt wäre.

Zum Abschluss ein Tipp des Captains: Wo ist der EHCO am Ende der Qualifikation positioniert?
Auf einem Playoffplatz (lacht).