«Wir wollen mit dem Aargau die Welt erobern»

3 Stunden 49 Minuten 47 Sekunden. Mit dieser Zeit haben Sie am vergangenen Sonntag den Powerman Brasilien gefinisht. Wie sind Sie zufrieden mit diesem Resultat?
Stefan Ruf: Ich teilte meine Kräfte so ein, dass ich vernünftig ins Ziel komme. Am Ende war ich ziemlich in der Mitte der Rangliste und in meiner Altersklasse gar Vierter. Was willst du mehr? Es war ein cooles Erlebnis. Meinen letzten Powerman bestritt ich 1996 in Sidney. Für mich sind die 3:49 eine gute Zeit für 10 km Laufen, 60 km Rad und nochmal 10 km Laufen, zumal es eine anspruchsvolle Strecke war. Die Velostrecke rund um Indaiatuba wies mehr als 1000 Höhenmeter auf.

Haben Sie sich speziell auf das Rennen vorbereitet?
Nein, meine Teilnahme war spontan. Sehr spontan sogar (lacht). Ich hatte Kontakt mit den Organisatoren, weil ich im Hinblick auf den Powerman Zofingen einige Dinge fragen wollte. Da meinten sie: «Stefan, nimm doch bei uns teil, das wäre eine Ehre für uns!» Im Spass sagte ich: «Wenn ich komme, dann müsst ihr mir ein Velo organisieren.» Zwei Tage später teilten sie mir mit, dass sie ein Bike für mich hätten. Eine super Zeitfahrmaschine. Ich lehnte zuerst ab, aber am Freitag nach Feierabend reizte es mich doch. Ich rief bei der Swiss an, ob ich noch einen Platz im Flieger buchen könne. Telefonisch war das nicht möglich, nur direkt am Schalter in Kloten. Also packte ich innert zehn Minuten, fuhr zum Flughafen. Ich hatte Glück, kurz darauf sass ich im Flieger. Am Sonntagabend reiste ich wieder heim.

Es ist beeindruckend, dass Sie nebst Ihrer beruflichen Tätigkeit als CEO in der Finanzbranche und Ihrem Amt als OK-Präsident des Powerman Zofingen anscheinend genug Zeit finden, um etwas für die Fitness zu tun.
Ich versuche, mich drei- bis viermal pro Woche zu bewegen, gehe 10, 16 oder 21 km laufen oder steige aufs Rad oder kombiniere beides. Im Herbst beginne ich wieder mit Rollskitraining im Hinblick auf die Langlaufsaison, damit ich am Engadin Skimarathon vielleicht noch einmal eine tolle Zeit schaffe. Und ich nehme mir vor, über Mittag wieder öfter in den Kraftraum zu gehen. Im Frühling gab mir ein zehntägiges Velotrainingslager eine gute Ausdauerbasis.

Als OK-Präsident des Powerman Zofingen legen Sie Wert darauf, möglichst vielen Finishern im Ziel persönlich zu gratulieren. Wer war in Brasilien Ihr erster Gratulant?
Manchmal war es mir fast ein wenig peinlich. Ich kam mir vor wie ein Star. Sie haben in Brasilien wirklich sehr gut zu mir geschaut, mich ausgerufen während dem Rennen. Und im Ziel begrüssten mich OK-Mitglieder, der Präsident der Internationalen Powerman Association (IPA) und die, die mir das Velo zur Verfügung gestellt hatten. Es war ein halber Fanclub. Eigentlich wollten sie für mich noch ein spezielles Band spannen im Ziel. Aber weil sie meinten, ich würde erst etwa eine Stunde später finishen, waren sie dann nicht parat, als ich einlief. (lacht)

Welche organisatorischen Inputs nahmen Sie vom Powerman in Brasilien für Zofingen mit?
Ich muss sagen, die haben das dort wirklich sehr gut gemacht. Man kann bei jedem Rennen etwas lernen, wenn man will und aufmerksam ist. Die Streckensicherung etwa war hervorragend. Da war unglaublich viel Personal und viel Absperrmaterial auf der Radstrecke. Auch die Beschilderung war top. Die riesigen Infotafeln, Zeitpläne und Wegweiser oder die zweimal zwei Meter grossen Kilometer-Anzeigen haben mich beeindruckt. Cool war, dass mich Athleten erkannt haben, die einst in Zofingen gestartet sind, und dass es welche gab, die mir mitteilten, sie würden dann in zwei Wochen an «meinem» Rennen mitmachen.

Die 29. Austragung des Powerman Zofingen steht kurz bevor. Was war heuer die grösste Herausforderung?
Die Streckenführung hat uns beschäftigt. Zum einen wollten wir mehr in die Stadt hinein mit dem Parcours. Das mussten wir aus verschiedenen Gründen aber ein Jahr aufschieben. Zum anderen versetzte das Unwetter die Laufrunde in einen schlechten Zustand, was Anpassungen nötig machte. Die Laufstrecke ist mit den Waldpassagen ohnehin eine Knacknuss. Forstwege werden heute nicht mehr so gut unterhalten wie vor 20 Jahren, wofür ich Verständnis habe. Aber wenn die Waldwege immer schlechter werden, wird das Belaufen immer kritischer. Da wir nicht wussten, welche Wege bis wann wieder instandgestellt sind, mussten wir Alternativen suchen. Nach etwas Hektik haben wir nun eine Lösung.

Im Powerman-Magazin kündigten Sie an, dass nach der 30. Ausgabe des Powerman Zofingen und bis 2019 ein «weitumfassender Umbau» ansteht. Was ist damit gemeint?
Das Jubiläum ist der perfekte Moment, alles in Frage zu stellen und zu überdenken. Dazu gehört auch die Strecke. Wir würden wie gesagt gerne auf der Laufrunde eine Schlaufe in die Stadt einbauen, vorbei an den schönen Plätzen der Thutstadt. Das hängt damit zusammen, dass wir uns Gedanken machen, wo wir langfristig hinwollen mit dem Powerman Zofingen. Wir müssen uns überlegen, ob wir künftig ein Rennen durchführen wollen, das dem WM-Charakter noch besser gerecht wird, noch würdiger ist. Nur so können wir noch mehr Topathleten anlocken. Oder wollen wir doch eher einen Fun-Event, bei dem man noch mehr durch den Wald, durch Dreck und Schlamm rennt?

Dass der Powerman Zofingen 2017 bereits zum 10. Mal in Folge den Status einer WM geniesst, spricht eher gegen den Fun-Aspekt?
Das denke ich auch. Zofingen hat sich einen Namen gemacht als hochklassiger Duathlon-Anlass und wird auch 2018 als WM der Internationalen Triathlon Union (ITU) und der IPA durchgeführt. Deshalb müssen wir den Spitzenathleten noch mehr entgegenkommen. Die haben einen dicht gedrängten Wettkampfkalender. Wir wollen wieder wie früher den einen oder anderen Top-Triathleten am Start haben. Da braucht es auch von der Strecke her eher eine, die mehr Erholungszeit bietet, harmonischer ist, weniger Aufs und Abs und Kurven beinhaltet.

Dann fällt der Lauf auf den Heitern hinauf vielleicht aus dem Plan?
Nein, der Heitern muss auf jeden Fall drin bleiben. Aber wenn ein Athlet wie derzeit den steilsten Hügel gleich zu Beginn meistern muss, trägt er die Strapazen und die Belastung davon im ganzen Rennen mit. Wäre dies nur der Schlussanstieg, sähe es anders aus. Bergab wäre fester Untergrund für Toptriathleten kompatibler als die trailmässigen Waldwege. Mein Worst-Case-Szenario ist, dass der Führende auf einem schmalen Waldweg einen Misstritt macht, aufgeben muss und dies noch vor laufender Fernsehkamera …

Das könnte aber auch auf den Pflastersteinen in der Altstadt passieren?
Klar. Das kann überall passieren, aber im Wald ist das Risiko grösser. Bis 2018 ist übrigens auch das Austragungsdatum Anfang September fix, da die Verträge mit der ITU unterzeichnet sind. Langfristig müssen wir aber schauen, ob der Powerman Zofingen im Frühling stattfinden könnte. Dann wäre der Heiternplatz nicht vom Open Air unbenutzbar und man könnte da eine Festhütte aufbauen.

Sie sind seit 15 Jahren OK-Präsident. Gibt es da noch Situationen, in denen Sie in die Bredouille geraten – am, vor oder nach dem Event?
Challenges gibt es immer wieder, etwa wenn kurzfristig etwas geändert werden muss, wie eben durch die Unwetter die Strecke. Lange dabei zu sein hat Vorteile, aber auch Nachteile. Viele im OK kommen zu mir, damit ich entscheide, statt dass sie selber Verantwortung übernehmen. Das ist manchmal okay, kann aber auch Prozesse lähmen. Ich bin nicht einer, der immer den einfachsten Weg geht, sondern bin bereit, Zeit zu investieren, um die bestmöglich Lösung zu finden. Auch wenn es Umwege braucht. Wollen wir den Anlass weiterentwickeln, müssen wir uns künftig mehr Zeit nehmen für strategische Überlegungen.

Sie sagen wir. Das tönt danach, als ob sie noch eine Weile OK-Präsident bleiben möchten?
Mein Antrieb ist meine Vision, dass man noch viel erreichen kann mit dem Powerman Zofingen. So lange ich es als realistisch ansehe, dass man Ideen verwirklichen kann, bin ich motiviert, in diesem OK zu sein.

Können Sie diese Vision etwas ausdeutschen?
Den Powerman kennt man in der Region, der findet einfach jedes Jahr statt, viele unserer Partner und Sponsoren sind aus der Region. In der Ausdauerszene weiss man rund um den Globus: Zofingen, das ist ein knallharter Wettkampf mit hohem Renommee. Aber das Dazwischen fehlt irgendwie. Ein Ziel für 2018 ist, mit dem Aargau die Welt zu erobern. Wir wollen im Kanton der herausragende Event sein, Weltklasse. Der Aargau hat sicher in anderen Bereichen auch Weltklasse zu bieten, das wollen wir 2018 zusammenbringen. Die Aargauer sind immer so bescheiden, produzieren oft Mittelmass. Was super ist, wird zu wenig nach aussen getragen. Der nächste Schritt ist dann, dass wir international vorwärtsgehen und grosse Namen an den Start holen. Dann geht vieles automatisch. Wenn du etwa gegen den Sieger des Ironman Hawaii antreten kannst, kommst du eher nach Zofingen. Dann haben uns auf einmal auch internationale Medien auf dem Schirm.

Was muss wie laufen, damit Sie nach dem 29. Powerman Zofingen zufrieden Bilanz ziehen können?
Es gibt die interne und die externe Sicht. Unsere wichtigsten Kunden sind die Athleten. Sie nehmen viel Geld in die Hände, reisen aus 37 Nationen an. Jedem Athleten wollen wir ein einmaliges Erlebnis schenken. 45 Prozent der Teilnehmer kommen aus dem Ausland. Auf sie alle einzugehen, nur schon sprachlich, ist eine Challenge. Erstmal müssen sie den Weg nach Zofingen finden. Und Zofingen, ich muss es nun halt einfach sagen, ist ja nicht der Nabel der Welt. Im Ziel sollen sie alle hochzufrieden sein mit unserer Arbeit. Deshalb warte ich bei der Finisherline. Es gibt nichts Schöneres, als zu hören, wie es ihnen gefallen hat, wie cool das Rennen war. Sie sagen aber auch ungeschminkt, was nicht gut war, was aber selten ist. In der Innensicht analysieren wir selbstkritisch, was es zu verbessern gilt. Da muss man aber immer relativieren und überlegen, ob etwas wirklich schlimm ist oder lediglich ein Detail, das nur wir OK-Leute bemerken. Froh bin ich, wenn alle gesund im Ziel sind und es keine Unfälle gab.

Apropos Unfälle – diesen Sommer verstarb die deutsche Triathletin Julia Viellehner, die 2013 und 2015 in Zofingen WM-Zweite wurde. Sie erlag mit nur 31 Jahren den Verletzungen nach einem Trainingsunfall. 2007 starb der belgische Duathlet und zweifache Powerman-Zofingen-Sieger Benny Vansteelant ebenfalls nach einem Unfall im Radtraining. Wie gehen Sie mit solchen Nachrichten um und mit der Tatsache, dass sich Athleten an «Ihrem Rennen» auch einem gewissen Risiko aussetzen?
Diese beiden tragischen Geschichten machen mich natürlich betroffen. Meines Wissens gab es an einem Powerman in Zofingen nie gröbere Zwischenfälle. Die meisten schlimmen Unfälle passieren indes im Training. Im Wettkampf bist du konzentrierter, da ist die Strecke gesichert und Autofahrer wie auch Velofahrer sind sensibilisiert. Ich fahre jährlich auch einige 1000 Trainingskilometer auf dem Rad. Vor zwei Jahren schoss mich ein Lieferwagen ab. Der kam aus einer Seitenstrasse heraus, überfuhr ein Stopp und erwischte mich frontal auf dem Radweg. Das Velo war entzwei, mir hat es zum Glück nichts gemacht. Da wurde mir bewusst, wie wenig es braucht. Beim Powerman tun wir unser Möglichstes, um mit einer guten Streckensicherung Unfällen vorzubeugen. Zudem haben wir ein Notfall- und Sicherheitskonzept.

Beinhaltet dies auch Vorkehrungen gegen terroristische Angriffe?
Wir haben mit der Polizei ein Dispositiv abgesprochen, das die gängigen Empfehlungen berücksichtigt. Details kann ich da nicht verraten.

In Tramelan findet am 10. Juni 2018 ein zweites Powerman-Rennen in der Schweiz statt. Wie positionieren sich die beiden Rennen?
Wir haben natürlich ein Interesse daran, dass auch dies ein Top-Anlass wird. Es geht ja auch um den Brand «Powerman». Ich war schon mehrmals dort und coachte das OK, etwa was die Laufstrecke angeht. Die Velostrecke im Jura ist sowieso fantastisch. Der Vorteil der Region um Tramelan ist, dass es dort nicht besonders viele Events gibt. Da sind alle sofort zu begeistern. Die Eisenbahnlinie am Renntag für zwei Stunden zu sperren war überhaupt kein Problem. Da bin ich schon fast ein wenig neidisch, wenn ich den Support dort spüre.

Wann dürfen wir Stefan Ruf einmal im Ziel zum Finisher-Interview begrüssen?
Wahrscheinlich würde ich es vor Zielschluss in die Powerman-Arena schaffen, aber man muss Prioritäten setzen. Ich kann nicht zeitgleich als Sportler und als OK-Präsident am Anlass sein, obwohl es schon cool wäre, selber mitzumachen. Umso mehr habe ich es genossen, am Powerman Brasilien teilzunehmen. Aber man weiss nie, vielleicht sagt zwei Tage vor dem Powerman Zofingen jemand: «Du, wir hätten dir ein neues Bike und haben alles für dich organisiert, du kannst völlig unbeschwert das Rennen absolvieren.» Oder in einer Staffel wird ein Platz frei … Wenn schon wäre mein Ehrgeiz, das alleine zu schaffen.