
Der King ist tot – seine Stimme aber lebt
Am 16. August jährt sich Elvis’ Todestag zum 40. Mal – damals hörte Marc Durrer den Namen Presley zum ersten Mal. Seither singt er dessen Songs nach und steht als Elvis-Double auf der Bühne. Im Interview verrät Durrer, wie viel er übt – und wieso er 2018 an die «Elvis-WM»in die USA will.
Marc Durrer, wann haben Sie zum ersten Mal die Stimme von Elvis gehört?
Marc Durrer: 1977, am 17. August – dem Tag, an dem sich die Nachricht von Elvis’ Tod in Europa verbreitete. Ich war auf einem Bauernhof in den Ferien und stand im Stall. Im Radio kam die Meldung, dass der King gestorben sei, und Songs von ihm wurden gespielt. Ich war von seiner Stimme sofort fasziniert. Nach den Ferien habe ich meine Mutter gebeten, mir eine Platte zu kaufen. Die habe ich heute noch, darauf bin ich stolz, ich habe sie erst kürzlich wieder einmal aus dem Keller geholt. Wenn ich sie spiele, kommt Lagerfeuerstimmung auf.
Schon nach diesen Ferien haben Sie begonnen, wie Elvis zu singen?
Ja, ich war damals 12. Den Stimmbruch hatte ich noch nicht. Meine Stimme quietschte ziemlich. Die rockigen Songs, aber auch die Balladen von Elvis gefielen mir wie keine Musik sonst. Ich übte wie ein Irrer, wie ein Besessener! Wenn andere zum Fussball gingen, verkroch ich mich in meinem Zimmer. Ich hatte einen Kassettenrecorder mit einem Mikrofon, sang und machte Aufnahmen.
Wie hat Ihr Umfeld reagiert, als Sie den King gaben?
Mein Umfeld hat das am Anfang gar nicht richtig mitbekommen, weil ich im stillen Kämmerlein geübt habe. Gesungen habe ich aber schon immer gern, schon als kleiner Bub. Im Singen hatte ich in der Primarschule sechs Jahre lang die Note 6, da war ich stolz drauf; im Unterricht durfte ich vor der Klasse regelmässig vorsingen.
Was sind Ihre Erinnerungen an Ihren ersten Auftritt?
Als ein Freund von mir heiratete, fragte seine Schwester, ob ich als Elvis auftreten könne. Das war 1989. Ich besass noch keine Playbacks, also reine Musikaufnahmen, zu denen man singen kann. Diese waren damals noch sehr teuer. Ich kaufte sieben Songs, die Schwester des Freundes und ich teilten uns die Ausgaben. Von einem Cousin lieh ich mir ein Glitzerhemd aus. So kam der erste Auftritt zustande – ich habe ihn immer noch auf Video.
Wie viel haben Sie für die ersten Auftritte kassiert?
Für diesen ersten Auftritt verlangte ich natürlich nichts. Danach lag die Anfangsgage bei 200 Franken – ich spielte immer die sieben gleichen Songs.
Als Elvis-Imitator sind Sie Teil eines globalen Pop-Phänomens. Was fasziniert Sie so nachhaltig daran?
Für mich ist es das Feeling, vor dem Publikum zu stehen. Das gibt mir einen enormen Kick. Es gibt unglaublich viele Leute, auch jüngere, die die Musik von Elvis lieben. Ich versuche, ihnen zu vermitteln, wie ein Auftritt von ihm gewesen sein könnte – offenbar kann ich das relativ gut. Ich habe schon mit Leuten gesprochen, die Elvis selbst gesehen haben – sie waren beeindruckt von meiner Stimme. Die Stimme ist meine Stärke. Wenn ich auf der Bühne stehe, spüre ich die Begeisterung des Publikums – das gibt mir viel zurück, auch dafür, dass ich jahrelang geübt habe.
Wie viel üben Sie heute?
Nicht mehr allzu viel. Wenn ich übe, dann im Auto. Auch auf dem Weg zu diesem Interview habe ich gesungen. Wenn ich einen Auftritt habe, gehe ich die Show singend im Auto durch.
Sie sind jetzt 10 Jahre älter als Elvis jemals wurde, er starb mit 42 Jahren. Wie lange wollen Sie das noch machen?
(Lacht) Ja, ich habe schon zehn Jahre überzogen. Im Ernst: Das ist für mich kein Thema. Ich werde noch eine Weile singen.
Wie viel investiert ein Elvis-Imitator in einen Jumpsuit, also einen Bühnenanzug?
(Marc Durrer zeigt auf ein Foto, das er mitgebracht hat.) Diesen Jumpsuit zum Beispiel habe ich für einen Imitatoren-Wettbewerb in England, die Europa-Meisterschaft quasi, gekauft. Er heisst «Planet», kaum ein Imitator trägt ihn. Ich finde ihn toll. Er kostet 2100 Franken. Irgendwann kaufe ich den Anzug, den Elvis bei seinem berühmten Konzert in Hawaii getragen hat. Er kostet 3200 Franken.
Sie haben in der Schweiz auch ein paar Auszeichnungen gewonnen.
Ja, ich war fünf Mal Schweizer Meister. Das war im Albisgüetli, das letzte Mal 2002.
Wie wichtig waren diese Auszeichnungen für Sie?
Sehr. Es war eine Plattform, auf der man sich präsentieren konnte. Im Albisgüetli kommen so 1800, 2000 Leute rein. Es war immer voll. Es gab dort jeweils «Rock and Roll»-Wochen. Terry Senn von «Terry and the Hot Sox» hat das gemacht. Shakin’ Stevens war mal da oder die Comets, die Band von Bill Haley. Lustigerweise haben die nie so viele Leute angezogen wie die Elvis-Imitatoren.
In einem früheren Interview sagten Sie, dass Sie nicht Elvis seien …
… ja. Privat trenne ich das strikt. Anscheinend zu strikt. Meine Partnerin, sie ist marketingtechnisch sehr geschickt, sagt immer, ich solle nach aussen hin mehr wie Elvis auftreten. Ich fand das immer scheisse, wenn da welche kamen und «Hey, Elvis» riefen. Ich reagierte immer so: «Hey, ich bin nicht Elvis.» Aber ich sollte das als Kompliment anschauen.
Am 16. August ist Elvis’ Todestag.
Der 40., ja.
Hat das eine besondere Bedeutung für Sie?
Ehrlich gesagt, nein. Ich bin nicht so wie andere Imitatoren, die Elvis komplett leben. Und auch so rausgehen, angezogen wie der King. Das ist nicht mein Ding. So lebe ich Elvis nicht. Aber klar, ich habe mir auch die Haare gefärbt. Seit 2014 habe ich dunkle Haare, bin keine Blondine mehr. Das hat aber nichts mit Elvis zu tun. Das habe ich gemacht, weil ich mich von meiner Ex getrennt habe. Da habe ich mir gesagt, etwas muss ich ändern.
Dann müssen Sie auch die Haare nicht mehr schwarz färben für die Auftritte.
Ja, ich lasse das jetzt einfach so. Ana, meiner Tochter, sagte ich, mit 60 verwandle ich mich wieder zurück. Aber erst mit 60, das geht noch acht Jahre. Dann bin ich dann grau, oder? (lacht)
Wie viele Auftritte absolvieren Sie pro Jahr?
Vor 2007 hatte ich sehr viele, manchmal 20 bis 30. Als meine Tochter klein war, machte ich eine Pause. Heute sind es vielleicht so ein Dutzend. Es werden wieder mehr, denn die Leute merken, dass der Durrer wieder auf dem Markt ist.
Was unterscheidet einen Elvis-Fan von einem Elvis-Imitator?
Es gibt Fans, die finden Imitatoren okay, und es gibt Fans, die finden, das geht gar nicht. Es gäbe nur einen Elvis – und diese Imitatoren seien schrecklich.
Es gibt Fans, die Imitatoren ablehnen?
Das gibt es, ja. Auch im engsten Umkreis hatte ich einen solchen. Als ich in Sursee einen Auftritt hatte letztes Jahr, sagte er, er komme sicher nicht, das gehe gar nicht. Dafür kam seine Frau. Sie hat ihm davon erzählt; er hat es bereut und sich nach dem nächsten Auftritt erkundigt.
Haben Sie eigentlich einen Song, der schon von Anfang an im Repertoire ist?
Lange hatte ich, wie Elvis, immer die gleichen Songs. Immer das Gleiche, immer das Gleiche. Wenn Elvis dann zwischendurch etwas gebracht hat, das anders war, hat das Publikum getobt. Ich nehme jetzt auch ein paar Exoten rein, die weniger bekannt sind. Manchmal kommen die Leute und sagen, sing doch mal «Poke Salad Annie» oder «Green Green Grass Of Home», «Blue Suede Shoes» oder «If I Can Dream». Und dann sage ich jeweils: Okay, singe ich.
Haben Sie einen Lieblingssong?
Ja, «Bringin’ It Back». Den kennt kein Mensch, kein Mensch (lacht)! Aber das ist einer meiner Lieblingssongs, ja. 1974/75 hat Elvis den aufgenommen, in einer halbimprovisierten Version.
Gibt es Songs, die von den Leuten immer gewünscht werden?
Sicher immer «Can’t Help Falling In Love», der ist sehr beliebt. «Always On My Mind» wird auch oft gewünscht. Was ebenfalls kommt, ist «Muss i denn zum Städtele hinaus», gerade an ländlichen Festen oder so.
Die Welthauptstadt der Elvis-Imitatoren ist Las Vegas. Ist es ein Traum von Ihnen, dort mal aufzutreten?
Mein Ziel ist die Weltmeisterschaft der Elvis-Imitatoren, sie heisst «Ultimate Elvis Tribute Artist» in Memphis.
Diese findet jedes Jahr statt?
Ja, jedes Jahr. Der Gewinner von England ist der Einzige aus Europa, der dort singen kann. Auch in den USA gibt es mehrere Vorausscheidungen, um nach Memphis zu kommen. Das wäre mein Ziel.
In England waren Sie letztes Jahr, sind aber ausgeschieden.
Ja, nach England gehe ich nicht mehr. Das war Kindergarten, das mache ich nicht mehr mit. Ich habe für das Ticket 400 Franken gezahlt und es am ersten Abend gleich zerrissen. Also da kamen Leute weiter, da hat man sich einfach gefragt … Es macht mich jetzt noch wütend!
Sie versuchen es also in den USA?
Ja, nächstes Jahr, ganz sicher. Ich habe mir gesagt, ich bin 52, ich muss es jetzt machen. Irgendwann bin ich sonst zu alt. Doug Church, ein bekannter Elvis-Imitator, hat mir geraten, mit meiner Stimme nach Amerika zu gehen und vor Leuten aufzutreten, die Elvis noch gekannt haben.
Was war Ihr schlimmster Auftritt?
Das war einer in Sursee, 1997 oder 98. Da gab es diese kleine Turnhalle. Als ich reingekommen bin, lief Rammstein (Durrer beginnt zu röhren wie der Rammstein-Sänger). Die Leute lagen besoffen am Boden rum. Ich bin dann auf die Bühne, habe zwei Songs gesungen, dann haben die Leute damit begonnen, Sachen nach mir zu schmeissen. Ein Typ hat gepöbelt, aber als ich ihn später draussen wieder traf, meinte er nur: «War wirklich gut!» So ein typischer Fall von «in der Gruppe stark».
Interview: Philippe Pfister und Rahel Wirz (Text/Bilder)