
Köpfchen und Fingerspitzengefühl sind gefragt
Das Alterszentrum Blumenheim hat nach dem Unwetter wieder Zugriff auf seine elektronischen Bewohnerakten. Datenretterin Christine Hammer erklärt, wie das möglich ist.
Während rund zwei Wochen war nicht sicher, ob das Alterszentrum Blumenheim jemals wieder Zugriff auf seine elektronischen Bewohnerdaten haben wird. Die Wassermassen zerstörten am 8. Juli den Server im Untergeschoss mit samt den Daten (ZT/LN berichteten). Nun können die Verantwortlichen des Alterszentrums aufatmen. Die Kroll Ontrack GmbH hat einen Grossteil der Daten wiederhergestellt. Datenretterin Christine Hammer erklärt, wie ein solcher Vorgang abläuft, wie man bei Datenverlust handeln sollte und welche Sicherungssysteme sie empfiehlt.
Als Datenretterin stellen Sie Bit für Bit wieder her. Eine aufwendige und filigrane Arbeit. Was motiviert Sie, diese Tätigkeit auszuüben?
Christine Hammer: Der Beruf des Datenretters ist sehr abwechslungsreich. Durch die ständig neuen Datenträger und die sich laufend vergrössernden Kapazitäten der Festplatten ist man immer gefordert dazuzulernen und sich auf dem Laufenden zu halten. Jeder Fall stellt einen vor neue Herausforderungen. Nicht nur Köpfchen, sondern auch Fingerspitzengefühl sind gefragt. Es macht Spass, wenn man einem zufriedenen Kunden die Daten wieder übergeben kann.
Nach elf Tagen Arbeit konnten Sie dem «Blumenheim» die wegen des Unwetters «verloren» gegangenen elektronischen Daten zurückgeben. Wie viele Daten konnten Sie retten?
Der Wasserschaden betraf einen Server mit sieben Festplatten. Darunter eine sogenannte Hotspare-Festplatte. Diese springt üblicherweise ohne manuellen Eingriff für eine andere Festplatte ein, wenn diese ausfallen sollte. Bei sechs Festplatten konnten die Daten zu 100 Prozent ausgelesen werden, bei einer Festplatte bis zu 94 Prozent der Daten.
Was ist mit den 6 Prozent?
Aufgrund physischer Beschädigungen der Plattenoberflächen ist es in manchen Fällen nicht möglich, alle Daten komplett auszulesen. Schwierig wird es meist dann, wenn Datenträger komplett beschädigt oder mutwillig zerstört wurden. In über 90 Prozent der Fälle können wir Daten aber wiederherstellen.
Von der Krankengeschichte bis zur Leistungsabrechnung – insgesamt 250 Gigabyte Daten des «Blumenheims» haben Sie wiederhergestellt. Wie läuft ein solcher Vorgang ab?
Bei einem Wasserschaden müssen wir die betroffenen Datenträger erst professionell reinigen und trocknen. Von den Datenträgern erstellen wir dann eine Eins-zu-eins-Kopie, da wir nie an den Originaldaten arbeiten. Bei einem Hardware-Schaden öffnen wir die Platten in unserem Reinraum der Klasse 100*. Wenn nötig tauschen wir Ersatzteile und lesen anschliessend die Rohdaten mit selbstentwickelten Spezialwerkzeugen aus. Dann fügen wir diese Daten in unserem Labor in Feinarbeit wieder zu lesbaren Dateien zusammen.
Wie kann man sich diese Feinarbeit vorstellen?
Im Reinraum und Labor handelt es sich sowohl um handwerkliche Feinarbeit wie beim Öffnen und Reparieren von Medien oder Austauschen von Ersatzteilen als auch um computertechnologische Feinarbeit beim Identifizieren und Zusammensetzen komplexer Datenstrukturen.
Datenverlust ist für die Betroffenen fatal. Wie treffen Sie die Leute in diesen Situationen an?
Selbstverständlich kann der Verlust von Daten nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Privatpersonen im ersten Moment ein Schockerlebnis sein.
Wie sollte man vorgehen, wenn man Daten verloren hat?
Wir empfehlen, generell Ruhe zu bewahren und keinesfalls unüberlegte Schritte auszuführen, die die Daten endgültig beschädigen können. Falls ein Hardwareschaden vorliegt, besteht die Gefahr, dass ein endgültiger Datenverlust provoziert wird. Generell gilt die Empfehlung, sofort einen Spezialisten zur Datenrettung zu kontaktieren und sich ausführlich beraten zu lassen. Der erste Datenrettungsversuch ist entscheidend für den späteren Erfolg.
Die Daten sind gerade für Unternehmen wertvolles Gut. Mit welchen Kosten muss man bei einer Rettung rechnen?
Die Preise bei Servern hängen von der Art und Schwere des Schadens und der gewählten Service-Variante ab. In unserem Freeval Service bieten wir für Einzelfestplatten eine kostenlose Abholung des Mediums sowie eine kostenlose Analyse des Mediums innerhalb von vier Stunden an. So kann der Kunde nach sehr kurzer Zeit sehen, in welchem Zustand die Daten sind und welche Datenmenge gerettet werden kann. Das Pricing startet bei 660 Franken bei einer Festplatte bis 500 Gigabyte.
Viele Unternehmen haben – wie das «Blumenheim» – ihre IT mitsamt Servern im Keller platziert – ist das überhaupt sinnvoll?
Solange die Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden, ist die Lage des Standorts nicht entscheidend. Es empfiehlt sich für jedes Unternehmen einen Plan für Notfälle zu integrieren und diesen auch regelmässig zu testen.
Es gibt es eine Vielzahl an Datensicherungsmöglichkeiten. Welches System empfehlen Sie?
Heutzutage muss man zwischen Lösungen, die sich vor Ort befinden, oder Cloud-Lösungen unterscheiden. Der Vorteil einer Cloud-Lösung ist, dass der Anbieter für die Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Backups verantwortlich ist. Einer der Nachteile ist, dass die Übertragung der Daten bzw. des Backups ab einer gewissen Grösse enorm lange dauern kann. Hier ist auf ein lokales Backup zurückzugreifen. Eine Lösung aus lokalem Backup und Cloud-Backup ist derzeit die sicherste Methode, um sich zum einen gegen einen Datenverlust zu schützen, und andererseits die Daten schnell wieder ins System einzuspielen.