
Leute machen Kleider. So viel zu Dresscodes.
Das Thermometer klettert wieder über die 30-Grad-Marke. In mancher Bude, in der die Klimaanlage fehlt und die Gebäudearchitektur versagt, wird geschwitzt, gelitten und – nachgelassen.
Experimenten zufolge tippen Bürokräfte bei mehr als 30 Grad nur noch halb so schnell wie bei 20 Grad Raumtemperatur, die Arbeitsleistung nimmt deutlich ab. Längst nicht jeden Chef kümmert dies, obwohl es sollte: Die Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz verpflichtet, dass für ein angenehmes Arbeitsklima gesorgt werden soll – dann muss der Arbeitgeber auch mal einen Ventilator springen lassen, selber zahlen müssen wir «Normalos» dies nicht, da können Sie gerne das kantonale Arbeitsinspektorat fragen. Umso mehr irritieren mich jedes Jahr gewisse geschäftliche Kleidervorschriften.
Dass Banker oder Kundenberater einen anständigen Eindruck machen müssen, ist nachvollziehbar. Ebenso, dass Hotpants nicht an den Arbeitsplatz gehören, da sie die Konzentration mindestens so stark beeinträchtigen können wie die Hitze; heiss bleibt heiss. Nicht nachvollziehbar aber ist, dass eben gerade eine Kauffrau oder ein Bürolist, der die meiste Zeit ohnehin am Pult verbringt, sich an irgendwelche wilden, oft von Einzelmasken angeregten Ordnungen halten muss. Es ist wie mit so vielem in der Arbeitswelt: Denkt man nicht über die Nasenspitze hinaus, verfehlt man das Ziel. Statt bei Rekordtemperaturen halsstarrig kurze Hosen, kurze Röcke, Sommerschuhe und Ähnliches zu verbieten, dürften sich die Teppichetagen gerne bewusster werden, dass eine angenehme Kleidung sowohl zur Arbeitsleistung, zur Arbeitszufriedenheit als auch zur Gesundheit am Arbeitsplatz beiträgt. Denn was bringt es, wenn nachmittags um 15 Uhr die Luft draussen ist?
Selbst im Militär lockert man heute die Tenüvorgaben, damit die AdAs auf Übung nicht zusammenbrechen. Ulkig, gilt das Militär doch nicht unbedingt als fortschrittlichste Institution unseres Landes. Freilich: Gewisse Grundregeln sind einzuhalten, da reicht aber oft gesunder Menschenverstand. Und abgesehen davon: Gottfried Keller novellierte schon richtig, als er «Kleider machen Leute» schrieb. Nur der Standard darf dieses Motto nicht sein. Letztlich hat sich Schneidergeselle Wenzel nur durch eine Notlüge, durch Flunkerei nach oben gebracht. Es zählt doch zuerst, wer in den Klamotten steckt und was er leistet. Deshalb sind es vielmehr die Leute, die die Kleider machen. Deshalb ist es zusätzlich unsinnig, sich zuerst über die Kleidung und erst dann über die Mitarbeitenden Gedanken zu machen.