
Staatsanwaltschaft eröffnet Verfahren gegen den in Brasilien gesuchten Zofinger
Ein 54-jähriger Zofinger zählt zu den meist gesuchten Verbrechern in Brasilien. Er soll dort seine Ex-Freundin verprügelt und schwer verletzt haben. Nun kommt aus: Die Aargauer Staatsanwaltschaft hat den Gesuchten befragt und ein Verfahren gegen ihn eröffnet. Trotz den massiven Vorwürfen droht dem Mann keine Auslieferung nach Brasilien.
Die Vorwürfe gegen den Aargauer sind massiv: Er soll 2004 versucht haben, seine Ex-Freundin zu vergewaltigen, sie verprügelt und aus dem Fenster geworfen haben. Seither ist die Frau querschnittsgelähmt. In Brasilien wird der mutmassliche Täter von der Polizei gesucht, taucht dort auf einer Fahndungsliste auf. Der „Blick“ machte publik, dass der Gesuchte unbehelligt in Zofingen lebt.
Nun zeigen Recherchen der az: Die Aargauer Staatsanwaltschaft hat den 54-Jährigen am Mittwoch befragt. Sprecherin Fiona Strebel sagt auf Anfrage: „Die Staatsanwaltschaft hat aus den Medien von diesem Fall erfahren und ein Verfahren eröffnet.“ Der Beschuldigte bestreite die Tat.
Brasilianer haben sich noch nicht gemeldet
Die Schweizer Strafverfolgungsbehörden können gegen Staatsangehörige auch dann ein Strafverfahren führen, wenn diese ihre Tat im Ausland begangen haben. Die brasilianischen Behörden haben sich bislang allerdings weder mit der Aargauer Staatsanwaltschaft noch mit dem Bundesamt für Justiz in Verbindung gesetzt. Strebel: „Wir werden aber via Bundesamt für Justiz den Kontakt mit den brasilianischen Behörden suchen. Erfahrungsgemäss ist dies aber schwierig.“
Beim Bundesamt für Justiz heisst es auf Anfrage: „Im vorliegenden Fall hat Brasilien bisher weder ein formelles Auslieferungsersuchen noch ein Ersuchen um stellvertretende Strafverfolgung an die Schweiz gestellt.“
Fest steht: Die Auslieferung nach Brasilien, das für seine überfüllten Gefängnisse berüchtigt ist, droht dem Zofinger nicht. Zwar besteht zwischen den beiden Ländern ein Auslieferungsvertrag, dieser hält aber explizit fest, dass die Vertragsparteien nicht zur Auslieferung der eigenen Staatsangehörigen verpflichtet sind. Zudem sieht die Bundesverfassung vor, dass Schweizer nur mit deren Einverständnis an eine ausländische Behörde ausgeliefert werden dürfen.
Kommt es zum Prozess in der Schweiz?
Wenn eine Auslieferung nicht möglich ist, kann das Land, in dem das Verbrechen begangen wurde, die Strafverfolgung an den Heimatstaat des Beschuldigten abtreten. Dadurch soll verhindert werden, dass eine Lücke in der Strafverfolgung entsteht – und Täter straffrei davon kommen.
Bedingung dafür ist allerdings, dass die ausländischen Behörden beim Bundesamt für Justiz um stellvertretende Strafverfolgung ersucht. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, wird das Bundesamt daraufhin den Fall an die zuständige schweizerische Strafverfolgungsbehörden weiterleiten.
Der Vorfall liegt schon Jahre zurück und soll sich 2004 abgespielt haben. Die Verjährungsfrist dürfte trotzdem noch nicht abgelaufen sein. Bei Vergewaltigung und schwerer Körperverletzung beträgt diese 15 Jahre. Die Frage, ob dem Beschuldigten Auflagen in Bezug auf die Ausreise gemacht werden, lässt die Staatsanwaltschaft offen. In Untersuchungshaft befinde er sich nicht.