Eine neue Rolle in der Familie statt weitere Schmerzen

Zuerst denkt Miguel Peralta, die Nachricht sei schnell überbracht. Doch als er dann im Brügglifeld steht und in die Augen derer schaut, von denen viele auch im Privaten enge Bezugspersonen geworden sind, da stockt die Stimme. Und als er die endgültigen Worte ausgesprochen hat, fliessen die Tränen.

Am Sonntag machen der FC Aarau und Peralta das Karriereende des 25-Jährigen öffentlich. Angesichts von vier Kreuzband- und zwei Meniskusrissen eine logische, gleichzeitig eine traurige Nachricht: Denn Peralta muss nicht nur frühzeitig seinen Traumjob beenden, mit ihm verlässt ein Unvollendeter die Bühne. Experten sagen: Ohne Verletzungspech wären dem Niedergösger die Türen in die grosse Fussballwelt offen gestanden. Der Übergang vom aktiven zum Ex-Fussballer sei ihm aber gar nicht so schwer vorgekommen, wie er sich im Moment der Ansprache vor der Mannschaft angefühlt habe. «Es war ein Prozess. Vielleicht aber kommt der Schock, wenn das erste Saisonspiel startet, ich von der Tribüne zuschaue und realisiere, dass ich nie mehr da unten auf dem Brügglifeld-Rasen rauf und runter rennen werde.»

Ein letzter ernsthafter Anlauf für ein Comeback

Vor zwei Wochen, als der FC Aarau in die Vorbereitung auf die Saison 2021/22 startete, nahm Peralta einen letzten Anlauf. Hinter ihm lag die sechste mehrmonatige Rehaphase nach dem Kreuzbandriss im Juli 2020. Erneut gaben Ärzte und Physios grünes Licht fürs Mannschaftstraining. «Das war nicht nur zum Spass, sondern ernst gemeint, ich wollte unbedingt nochmals Spiele bestreiten.» Im Hinterkopf sei er aber vorbereitet gewesen darauf, dass es dieses Mal nicht mehr weitergeht.  Nach der ersten Trainingswoche hätten die Knie geschmerzt. Der Entscheid, es gut sein zu lassen, reifte in Gesprächen mit Freundin, Familie, Sportchef Sandro Burki und Trainer Stephan Keller.

«Aus der Fussball-Blase auszutreten, hat auch etwas Befreiendes: Ab sofort bestimme ich selber meinen Tagesrhythmus. Essen, Trinken, Freizeit – ich darf tun, was ich will», sagt Peralta. Von der einen grossen Frage, «Warum immer wieder ich?», hat er sich – auch dank der Mithilfe eines Mentaltrainers – verabschiedet. Er trauere nichts nach, auch wenn ihm viele sagen würden, welch grosse Karriere ihm ohne Verletzungspech bevorgestanden hätte. «Vielleicht – aber wer weiss das schon? Ich bin zufrieden, ich durfte eine Zeit lang meinen Bubentraum leben und bei vielen schönen Momenten dabei sein.»

Von zweien hätten sich die Bilder tief eingegraben im Gedächtnis: Der 30. Mai 2019, als der FC Aarau in Neuenbrug vor über 2000 Fans die Gastgeber mit 4:0 wegfegte. Peralta war – wie so oft – als Zuschauer dabei, die Atmosphäre, die Fanchöre, die Stimmung vor, während und nach dem Spiel in der Kabine werde er nie vergessen. Ein knappes Jahr später, im Februar 2020, erzielte er im Heimspiel gegen Kriens sein einziges Tor für den FCA nebst dem Treffer im August 2016 im Cup gegen den Drittligisten Zollbrück.

Die Solidarität und die Zuversicht ist gross

Peralta rechnet damit, dass der emotionale Hammer in den nächsten Monaten zuschlagen würde. Im Moment gehe es ihm jedoch gut – und das habe vor allem mit der Perspektive zu tun: Er steht nicht wie andere Fussballer nach dem Karriereende vor dem Nichts, sondern darf weiter für den FC Aarau arbeiten. Vom grünen Rasen wechselt er in absehbarer Zeit in die Büroräume im Brügglifeld. Um sich dort um administrative Arbeiten und Projekte zu kümmern. «Nach keiner Verletzung hat mich der Verein fallen gelassen, auch jetzt nicht, wo ich keine Dienste als Fussballer mehr bieten kann. Die Solidarität ist überragend. Mit 13 kam ich als Junior das erste Mal ins Brügglifeld, seither ist der FC Aarau meine zweite Familie.»