Baggerfahrer stürzt auf ungesicherter Baustelle vom Dach und stirbt – nun wird der Chef verurteilt

Als der Bauarbeiter vom Dach fiel, lebte er zunächst noch. Doch noch bevor die Rega eintraf, hörte er auf zu atmen. Seine Arbeitskollegen reanimierten ihn, später die Sanitäter. Erfolglos. Nach 55 Minuten stellten sie die Bemühungen ein. Der junge Mann war tot.

Noch am selben Abend fuhr der Chef der kleinen Firma, selbst noch keine 30, zu den Eltern des Opfers nach Hause, um sich zu entschuldigen.

Das Opfer arbeitete am 23. Dezember 2019 auf einer Baustelle in Birrwil. Er steuerte einen Bagger auf einem Dach, er sollte Kies und Bitumenreste abtragen. Er fuhr zu nah an die Kante, stürzte fast fünf Meter in die Tiefe, verlor im Sturz seinen Helm und schlug sich den Kopf an. Todesursache: Regulationsversagen infolge eines schweren, stumpfen Schädelhirntraumas.

Es war wohl ein Versehen, dass der junge Mann so nahe an die Kante fuhr. Ein Versehen, das so nie hätte passieren dürfen.

Der Verunfallte hatte gar keinen Ausweis, um Bagger fahren zu dürfen. Sein Chef wusste das. Eingesetzt hat er ihn trotzdem. Der Bagger hatte weder Sicherheitsgurte noch einen Überrollbügel. Und an den Rändern des Dachs wurden keinerlei Absturzsicherungen montiert, Radabweiser oder Anfahrtsschütze zum Beispiel, die verhindert hätten, dass der Bagger überhaupt so nahe an die Kante kommt. Oder in den Worten des Staatsanwalts:

«Es gab nichts, absolut gar nichts, zwischen dem Opfer und dem Abgrund.»

Aus all diesen Gründen musste sich der Chef der Firma diesen Dienstag vor dem Bezirksgericht Kulm verantworten. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: fahrlässige Tötung durch Unterlassen, dazu Vergehen gegen das Arbeitsgesetz.

Die Verhandlung dauerte nicht einmal eine Stunde. Der Beschuldigte und die Staatsanwaltschaft hatten sich bereits vor dem Termin auf eine Strafe geeinigt. Das Gericht musste nur noch prüfen, ob diese angemessen erscheint.

Und das tat sie. Das Gericht sprach den Mann schuldig und bestrafte ihn mit 18 Monaten Freiheitsstrafe und 3000 Franken Geldstrafe, beides bedingt. Zudem muss er eine Busse von rund 2500 Franken bezahlen. Auch die Gerichts- und Verfahrenskosten muss er übernehmen: nochmals rund 7500 Franken.

Chef des Opfers: «Ich weiss, ich habe Fehler gemacht»

Zu einem früheren Zeitpunkt des Verfahrens hatten der Beschuldigte und sein Anwalt noch versucht, eine tiefere Strafe zu erwirken. Schliesslich gaben sie sich aber mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft zufrieden.

«Ich weiss, ich habe Fehler gemacht», sagte der Beschuldigte zu den Richterinnen und Richtern. «Auch aus moralischer Sicht fand ich es irgendwann fragwürdig, eine tiefere Strafe zu verlangen.»

Ausserdem habe er die Lehren gezogen. Nach der Lehre hat sich der Beschuldigte als Quereinsteiger selbstständig gemacht. Vielleicht sei seine Firma etwas zu schnell gewachsen, meint er. Andere Aspekte hätten darunter gelitten, etwa die Sicherheit. Heute habe die Firma aber eine Sicherheitsbeauftragte, die regelmässig die Baustellen kontrolliere.

Der Beschuldigte hat nach dem Unfall seines Mitarbeiters selbst eine Therapie begonnen. Um die Bilder des Unfalls aus dem Kopf zu bekommen.