Sascha Ruefer ist unser Held aus Sursee

Sascha Ruefers Herz zappelt, sein Mund ist jetzt um 21 Uhr voller ungesagter Dinge. Der Surseer hat sich perfekt vorbereitet, er hält eine nicht einfache, aber staatsmännische Einstiegsrede. Das ist der kurze Moment für grosses Pathos. Ruefer erzählt, was sich da alles in den Herzen an- und aufgestaut habe. Vieles müsse raus: bei den Spielern, den Fans, den Kritikern dieser Mannschaft. Aber da ist ein Ziel, das Viertelfinale.

Bei der Hymne haben die Schweizer die Hand auf dem Herzen. Ob Marseillaise oder Bouillabaisse ist Ruefer egal: «Ich mag den Schweizer Psalm.» Das heisst auch: Kritiker Mund halten.

In der Galaxus-Werbung kurz vor dem grossem Match spielt die Freak-TV-Runde Fussballfloskel-Bingo. Wer nach diesem zynischen Spass tatsächlich ein Spiel kommentieren muss, hat schon verloren. Nicht so Sascha Ruefer, erst nach 20 Minuten «punktet» er: «Wichtig: Nicht nachlassen.» Danke. Aber Ruefer ist vorsichtig, bleibt seiner Maxime «Beobachten, einordnen, sagen» erstmal treu. Er merkt das, bringt schon nach drei Minuten sein Sursee ins Spiel. Dann lässt er das Spiel aber auch mal stumm laufen.

Bei Ruefer ist es wie grossen Opernsängern, er ist nie schlecht. Das Timbre, die Stimmfarbe, bleibt prächtig. Wenn er «Embolo – Embolooo – Embooloooo» sagt, ruft, bald juchzt, bringt das Berge von Emotionen in die Schweizer Stuben. Rufer hat den Groove, den Rhythmus. Er verfügt über dynamische Feinheiten, kennt das Staccato, ein Kurzpassspiel der Sprache.

Doch dann sagt er tatsächlich nach 14 Minuten: «Es riecht schon nach Elfmeterschiessen.» Ironie? Bald fühlt sich Ruefer wie in der Disco mit 16 Jahren: «Langsam geht’s vorwärts. Kein Fehler machen.» Gut folgt der Traummoment: Seferovic trifft, Ruefer bringt in Minute 15.56 sein legendäres «Der Mann aus Surseeeeeee!». Und lässt damit die Schweiz erbeben.

Ruefer merkt: Es kann etwas Historisches passieren. Und sitzt zum Glück auf den Mund. Die Fussballkumpels monieren via Signal, dass Ruefer kommentiere, als wenn es um nichts ginge. «Das müsste abgehen!».
Dann ist da die 54. Minute: «Elfmeeeeeeeeeeter für die Schweiz!», brüllt Ruefer. Aber «Ach, Gott»… Er merkt, dass die Schweizer nicht so gut sind beim Penaltyschiessen. Ruefer redet das Unglück her. Danach kann er es nicht kapieren und wird sich nicht mehr erholen.

Unfassbar ist das alles für Ruefer. Noch in der 77. Minute wird er darauf zurückkommen. Kurz vorher konnte er über Griezmann spotten, dass da viel zu viel Chichi sei, dafür hätten die Schweizer nur ein müdes Lächeln übrig. Dann kommt der «Mann aus Sursee» erneut. 3 zu 2. Und dann flippt Ruefer aus. «Ich dreh durch.» 3 zu 3.

Ruefer ist am Ende. Wie wir alle. Er aber redet weiter, entschuldigt sich ein wenig bei Rodriguez, besingt den Montagabend, kommt zu Edith Piaf und bedauert nichts und spricht in der 108. Minuten vom gerupften Huhn Frankreich.

Es kommt zum Penaltyschiessen. Wir erinnern uns an die Aussagen in 14. Minute. Ist Rufer ein Seher? Er piepst, ächzt. Leidet. Hofft. Triumphiert wie ein Held.