Fünf Minuten Kaffeepause

Vorfreudig eile ich zum Kaffeeautomaten und treffe dort auf einen Arbeitskollegen. «Hola!», begrüsse ich ihn strahlend. Er antwortet mit ernster Miene: «Grüessech, Frau Sarikurt.» «Ach, komm jetzt, sag doch nicht ‹Grüessech›. Da fühle ich mich irgendwie alt», entgegne ich ihm, während mein Cappuccino langsam in den Pappbecher läuft. «Tja, wir sind ja auch nun mal alt, Frau Sarikurt», entgegnet er mir spitzbübisch und nimmt einen Schluck Kaffee. Dann fügt er mit einem dreckigen Lachen an: «Hehe, zum Glück bin ich noch nicht so alt wie du.» Ich muss schmunzeln. «Hm, ganz schön frech, diese Jugend von heute!», antworte ich ihm mit leicht zugekniffenen Augen und einem grimmigen Lächeln, im Wissen darum, dass er nur marginal jünger ist als ich.

Tja, wenn ich an die früheren Zeiten denke, als mich unser legendärer Kurt «KBZ» Blum – R.I.P., lieber Kollege – mit einem strahlenden Lächeln am Morgen im Büro begrüsste und ich noch als Praktikantin zu den jüngsten in der Redaktion zählte … Da hatten wir noch einen Redaktionshund und es durfte auch noch geraucht werden in den Büros. Ab und an kroch der Duft von KBZs Pfeife, an der er genüsslich zog, wenn er durch die Redaktion in der Zofinger Altstadt spazierte, in meine Nase. Irgendwie mochte ich das. Oder auch das halblaute Summen eines anderen Kollegen, von Herbert «hst» Siegrist, während er an meinem Büro vorbeieilte. Rauszufinden, was er da für ein Lied summte, war unmöglich, aber irgendwie auch unwichtig. Manchmal fehlt mir das. Ich werde wehmütig, aber dennoch komme ich bei all diesen Erinnerungen um ein kleines Lächeln auch nicht herum. «Ich weiss noch, als ich dich das erste Mal gesehen habe, da dachte ich: Ach, wer ist denn dieser Sonnenschein?!», sagte einmal ein langjähriger, ganz lieber Kollege, als wir uns gemeinsam erinnerten.

Inzwischen bin ich schon mehr als die Hälfte meines Lebens Teil der ZT-Familie und die jüngste in der Redaktion bin ich schon lange nicht mehr. Viele sind gekommen, aber auch wieder gegangen. Ich bin hier geblieben – und zwar sehr gerne. Schon lange bin ich Teil der Crew, inzwischen bin ich wohl sogar schon ein Teil des Schiffs. Ich habe vieles gelernt in dieser Zeit und durfte meine Erfahrung mit ganz vielen jungen Nachwuchsjournis teilen und ihnen mein Wissen vermitteln. Das macht mich auch ein bisschen stolz. Eine liebe junge Kollegin hat mir dieses Jahr sogar eine Karte zum Muttertag auf mein Pult gelegt, im Wissen, dass ich an eben jenem Sonntag arbeiten musste, mit dem Vermerk «… und irgendwie bist du ja auch ein bisschen mein ZT-Mami».

«Es ist nun mal so, dass wir nicht jünger werden», doppelt der kecke Kollege beim Kaffeeautomaten nach, nimmt noch einen grossen Schluck Kaffee, fragt dann: «Hast du Mühe mit dem Älterwerden?», während er sich langsam entfernt. «Hm, wer will schon älter werden? Reifer, ja, okay. Aber älter?», rufe ich ihm so halblaut nach, antworte aber eigentlich mir selber. «Wer will schliesslich nicht ‹forever young› bleiben?», denke ich mir und sippe an meinem Cappuccino, während ich nun alleine am Stehtisch stehe. Gebotoxt bin ich bislang nicht – noch nicht.

Ich hänge noch kurz meinen Gedanken nach. Dann fliegt der leere Kaffeebecher in den Ghüder und ich mache mich auf den Weg zurück zu meinem Arbeitsplatz. Unterwegs treffe ich einen Kollegen mit dem Kaffeebadge in der Hand, der mich beim Vorbeigehen mit: «Guten Morgen, Sonnenschein!» begrüsst.

Ich lächle, gehe weiter. Das Botox kann doch noch ein bisschen warten.