Missbräuchlicher Mietzins? Das müssen Mieter auch weiterhin erst mal beweisen

Im konkreten Fall ging es um eine Altbauwohnung in Zürich, die in Vormiete monatlich 738 Franken netto gekostet hatte. Als eine Frau 2017 neu in die Wohnung einzog, verlangte die Vermieterin 1060 Franken netto. Die Mieterin ging vor das Mietgericht, das den Zins wegen der deutlichen Erhöhung gegenüber der Vormiete für missbräuchlich erklärte. Das Zürcher Obergericht bestätigte die Einschätzung des Mietgerichts.

Das Bundesgericht stützt nun dagegen die Sichtweise der Vermieterin, zumindest teilweise, wie es in einer am Montag veröffentlichten Mitteilung festhält. Ob eine Miete missbräuchlich sei, beurteile sich daran, ob die Miete dem üblichen Niveau des Quartiers entspreche. Da es im vorliegenden Fall keine offizielle Statistik gebe, müssten konkrete Vergleichsobjekte geprüft werden. Dabei sei es grundsätzlich Mietersache, die Missbräuchlichkeit nachzuweisen.

Betrage der Unterschied zwischen Vormiete und aktuellem Mietzins mehr als zehn Prozent, sei aber von der Vermutung auszugehen, dass die Miete missbräuchlich ist. Auch hier gibt es jedoch Ausnahmen. So etwa, wenn der Vormieter länger als fünfzehn Jahre in der Wohnung war und die Mietzinsen in dieser Zeit nicht laufend erhöht wurden. Dann sei die Vermutung der Missbräuchlichkeit erschüttert und der Mieter müsse beweisen, dass der Zins missbräuchlich sei. Dies sei auch der Fall, wenn von Seiten der Vermieterin inoffizielle Statistiken, Privatgutachten oder Daten von Vergleichsobjekten vorgebracht würden. Im vorliegenden Fall liege die Beweislast deshalb bei der Mieterin.

Mieterverband fordert staatliche Kontrollen

«Dieses Urteil ist Teil einer zunehmend mieterfeindlichen Tendenz des Bundesgerichts», lässt sich der Genfer SP-Ständerat und Präsident des Mieterverbandes, Carlo Sommaruga, in einer Mitteilung zum Urteil zitieren. Das habe sich bereits im letzten Jahr in einem Urteil zur Berechnung der Nettomieten gezeigt. Sommaruga fordert die Umkehr der Beweislast: In Zukunft sollen die Vermieter beweisen müssen, dass die von ihnen verlangten Mietzinsen nicht missbräuchlich sind. Denn für Mieter sei dies schwierig. So verzichteten viele darauf, sich zu wehren. Als Folge bleibe das Niveau der Mieten zu hoch, obwohl die Hypothekarzinsen seit Jahren tief seien. Der Mieterverband fordert deshalb eine staatliche Mietzinskontrolle.

Die ebenfalls am Montag veröffentlichten aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen, dass die Mieten auch in der Krise weiter anziehen. Gegenüber dem Vormonat April ist der Mietpreisindex um 0,6 Prozent gestiegen, gegenüber Mai 2019 gar um 0,9 Prozent. Die gegenwärtige Teuerung, im Mai waren es 0,3 Prozent, gehe unter anderem auf die höheren Preise für Wohnungsmieten zurück, so das BFS.

Steigende Wohnkosten würden in der Schweiz zusehends zu einem Problem für die Bevölkerung, schreibt der Mieterverband dazu in einer weiteren Mitteilung. Gemäss Mietpreisindex seien die Mieten seit 2005 um 20 Prozent gestiegen. Auch seien immer mehr Wohnungen in der Hand von Grosskonzernen, die in erste Linie auf hohe Renditen aus seien.