Mann gegen Post und ein Päckli als Trophäe

Es klingelt. Ding-Dong-Dung! Schon beim «Ding» schiesse ich auf wie ein Läufer nach dem Startschuss und reisse mir das Headset bis zum «Dong» vom Kopf. Ich riskiere gleichzeitig einen Blick auf die Uhr des Computers in der unteren rechten Ecke des grossen Monitors: 9.45 Uhr. Kann nur die Post sein. Ich mache mir Vorwürfe, dass mich das Senken des Kopfs, um während des Aufstehens auf die Uhr zu schauen, bereits wertvolle Zeit gekostet hat. Schliesslich zählt im Rennen gegen den Pöstler jede Millisekunde.

In vier langen und einem kurzen Schritt bin ich aus dem Büro raus. Das «Dung» ist schon seit einer gefühlten Ewigkeit verstummt. Den kurzen Schritt am Schluss mache ich mit dem rechten Fuss, stosse mich schräg nach links ab in Richtung Wohnungstüre. Mit der Schulter gleite ich um den Türrahmen wie ein Slalomfahrer auf der Planai. Noch einmal vier lange Schritte, in denen ich über den Staubsauger, eine aufgeschreckte Katze und einen Einkaufssack hüpfe. Ich strecke den rechten Zeigefinger aus, damit er beim letzten Schritt präzise auf dem Türöffner landet. Eine athletische Meisterleistung.

Ich drücke und warte. Und warte. Und warte, den Finger immer noch auf dem Türöffner. Unten rührt sich nichts, die Tür geht nicht auf. Habe ich es nicht geschafft? War ich zu langsam und der Pöstler ist bereits beim nächsten Haus? Gerade als ich den Finger vom Türöffner nehmen will, um nach unten zu gehen und die Abholungsnotiz aus dem Briefkasten zu fischen, höre ich, wie sich die Tür doch noch öffnet. Gewonnen. Sieg! Schnell Hausschuhe angezogen und nach unten geeilt. Tatsächlich steht der Postbote mit einem Riesenpaket im Treppenhaus. Stolz nehme ich meine Trophäe in Empfang. Auf das Siegerküsschen verzichte ich, auch sein Maillot Jaune muss er mir nicht abgeben. Der Inhalt des Pakets reicht mir völlig. Den Pöstler wird es wohl nicht interessieren; er dürfte sein ganz eigenes Rennen gegen Zeitvorgaben führen.