
Pilotveranstaltungen werden zur «Bürokratieschlacht»
Als ob es nicht sowieso schon kompliziert genug gewesen wäre. Aber jetzt, dieses Eingabeverfahren oder besser dieser Bewerbungsprozess, um vielleicht – und nur vielleicht – als Pilotveranstaltung ausgewählt zu werden, hat bei Erich Renfer den Frustpegel in neue Höhen getrieben. «Wissen Sie», sagt er am Telefon. «Die Gedanken, einfach aufzugeben, kamen zuletzt immer regelmässiger. Doch wir haben schon so lange gekämpft und so viele Rückschläge eingesteckt, jetzt machen wir auch das noch mit.»
Eigentlich hatte man ja gehofft, dass ab Juni die ersehnten Coronalockerungen kommen. Und tatsächlich, der Bundesrat stellt vieles in Aussicht. Auch für den Breitensport. Aber nicht für Schwingfeste, an denen schnell einmal 100 Sportler teilnehmen wollen. Denn das ist weiterhin nicht erlaubt. Und so wurde der Plan von OK-Präsident Renfer, das Aargauer Kantonale planmässig am 6. Juni durchzuführen, erneut durchkreuzt. Dabei waren Renfer und sein ganzes Team so lange optimistisch geblieben, schweizerisch stur könnte man fast sagen und damit passend zur Traditionssportart. Während ringsum die Feste verschoben oder abgesagt wurden, hielt der Schwingklub Lenzburg an seinen Plänen fest.
Viel Arbeit – aber doch keine Garantie auf Erfolg
Nun gibt es erneut ein Hintertürchen. Genannt Pilotveranstaltungen. Sollte der Bundesrat am 26. Mai grünes Licht geben, dürften die Kantone jeweils drei Testanlässe mit 300 bis 600 beteiligten Personen (also Teilnehmer, Zuschauer, Helfer etc.) bewilligen. Nur ist das Verfahren, um sich für so ein Pilotprojekt zu bewerben, «eine Bürokratieschlacht, ein Formularkrieg, man müsste Jurist sein, um alles zu verstehen», wie es Renfer erklärt.
Die Krux: Die Veranstalter müssen alles selbst erstellen: Schutzkonzepte, Risikoanalyse etc. Das nervt Renfer: «Es ist, als ob mir der Gesetzgeber sagt, ich solle selbst ein Strassenverkehrsgesetz erstellen. Ich definiere dann innerorts Tempo 60 und werde trotzdem geblitzt, wenn ich schneller als 50 fahre.» Der Kanton Aargau, mit diesem Vorwurf konfrontiert, lässt den Vergleich nicht gelten und schreibt dazu: «Die geltenden Schutzmassnahmen und detaillierten Vorgaben für Schutzkonzepte sind den Verordnungen und Erläuterungen des Bundes zu entnehmen.»
So oder so: Renfer ist bereit, diesen Weg zu gehen. «Aber eine Garantie, dass wir dann als Pilotveranstaltung akzeptiert werden, haben wir nicht. Was ist, wenn es mehr als drei Bewerber gibt?» Beim Kanton Aargau blieb die Frage, ob bereits Gesuche eingegangen sind, unbeantwortet. Die Behörden schreiben: «Die Veranstaltungen müssen die vom Bund definierten Vorgaben erfüllen. Wenn dies bei mehr als drei der Fall ist, werden sie vor dem Hintergrund der Ziele der Pilotveranstaltungen ausgewählt.»
Im Zentrum stehen Dinge wie die Kontrolle von Test- und Impfnachweisen beim Eingang oder die Lenkung der Personenströme. Ebenso soll die Praxistauglichkeit von Selbsttests, die vor Ort und unter Aufsicht des Organisators oder in Abstimmung mit lokalen Testzentren durchgeführt werden sollen, erprobt werden.
Der Sonntag ist werbetechnisch weit wichtiger
Das alles kostet. Geld, das nicht durch Ticketverkäufe zu Stande kommen kann. «Selbst wenn ich 400 Zuschauer reinlassen dürfte», sagt Renfer. «Allein den Sponsoren und dem Umfeld von Schwingerkönig Christian Stucki (er wäre als Gast vorgesehen; die Red.) sind vertraglich fast 600 Tickets versprochen.» Kurz: In den Verkauf kommen keine. Trotzdem wäre die Durchführung wichtig. «Weil wir sonst grosse Sponsoringeinbussen hätten.» Zwar ist der Nachwuchs-Schwingertag am Samstag bereits gesichert, doch der Sonntag, wenn die Bösen zusammengreifen sollen, ist werbetechnisch weit interessanter.
Ohne den Aktivenwettkampf wären die Sponsoringeinbussen viel grösser. «Wir haben zwar einige Sponsoren, die sich kulant zeigen würden», sagt Renfer. Trotzdem rechnet er mit einem Defizit im «fünfstelligen Bereich», wenn am Sonntag keine Wettkämpfe stattfinden sollten. Zwar stellte der Kanton jüngst eine Defizitgarantie für Veranstalter in Aussicht. «Aber diese will ich nicht beanspruchen», sagt Renfer. «Das wäre eine Demütigung. Wir haben null Unterstützung erhalten, da will ich nicht nachher zu Kreuze kriechen und um Staatsgelder betteln.» Das würde den Frustpegel zum Überlaufen bringen.