
Langenthal-Sportchef Kevin Schläpfer in der Kabine
Im März 2019 wird Kevin Schläpfer Sportchef beim SC Langenthal. Der einstige «Hockey-Gott» von Biel ist nach einem gescheiterten Zwischenspiel bei Kloten in der Hockey-Provinz gelandet. Wobei: Langenthal ist 2019 nach 2012 und 2017 erneut Meister der Swiss League geworden und verzichtet freiwillig auf die Liga-Qualifikation gegen die Lakers. Weil das Stadion lottert. Heute sind die Langenthaler von einem neuen Stadion weiter weg als von einer Aufnahme in die NHL.
Provinz. Kevin Schläpfer begehrt auf: «Provinz? Sicher nicht. Langenthal ist eine gute Adresse! Ich habe hier meine Karriere als Spieler beendet und viele gute Leute kennen gelernt. Mit guten Leuten arbeiten zu können ist entscheidend für mich, egal, ob auf der grossen oder der kleinen Bühne.» Nun rockt es auch auf der kleinen Bühne. Langenthal ist inzwischen nach der Heim-Niederlage gegen die GCK Lions (!) auf den 8. Platz abgerutscht. Selbst Präsident Gian Kämpf kann sich an eine solche Krise nicht erinnern. Er ist eine gefühlte Ewigkeit dabei, wechselte 2006 nach seinem Rücktritt als Spieler in Langenthal in die Geschäftsführung und nun ist er seit 2019 Präsident.
«Ich muss jetzt bei der Mannschaft sein»
Die Krise treibt Kevin Schläpfer um. Einer wie er mag in struben Zeiten nicht im Büro sitzen. Das mag eine Episode illustrieren. Kürzlich ist er gefragt worden, ob er nun in der Kabine zum Rechten schaue. Er weist eine Einmischung in die Arbeit von Jeff Campbell, den er vom Spieler und Assistenten zum Cheftrainer befördert hat, klafterweit von sich: «Ja, ich gehe in die Garderobe. Aber nur, um kurz zu grüssen. Ich rede unserem Trainer nicht drein. Das wäre der grösste Fehler. Dann würde ich ihm Autorität wegnehmen. Das wäre das Ende des Trainers.» Ein schöner Vorsatz. Aber nicht einfach zu leben. Kevin Schläpfer hat kürzlich mit einem Kollegen am Vormittag zum Kaffee abgemacht. Er sagt das Treffen telefonisch kurzfristig ab: «Ich muss jetzt bei der Mannschaft sein. Du verstehst schon, oder?» Ja, natürlich versteht der Kollege. Die Spieler brauchen in schweren Zeiten die Nähe des Sportchefs in der Kabine. Aber natürlich redet er dem Trainer nicht drein. Oder noch nicht?
Erstmals seit der letzten Meisterfeier von 2019 rockt es nicht mehr auf der Langenthaler Hockeybühne und auf dem «Planet Schläpfer». Mit erstaunlichem Geschick ist es Kevin Schläpfer gelungen, das Budget um mehr als 100000 Franken zu kürzen und trotzdem konkurrenzfähig zu bleiben. Einerseits hatte er Glück, dass der harte Kern der Mannschaft um den mittlerweile 37-jährigen Kult-Captain Stefan Tschannen intakt blieb und andererseits den Verstand, um mit Pascal Caminada einen starken Torhüter und mit Eero Elo den perfekten Ausländer zu finden: der freundliche Finne ist beliebt in der Stadt und in der Kabine und garantiert ein Tor in jedem zweiten Spiel. Mindestens. Dank den Treffern von Eero Elo und Stefan Tschannen und den Paraden von Pascal Caminada lebte Kevin Schläpfer als Sportchef wie auf einem Pony-Hof.
«Er genügt nicht – werden ihn nicht bis Saisonende behalten»
Aber nun ist Eero Elo nach drei Partien mit einem Handgelenkbruch ausgefallen und kehrt wohl erst im Januar zurück. Stefan Tschannen zwickt und schmerzt es da und dort und er hat erst 6 Partien bestritten. Aus Pascal Caminada wird mehr und mehr ein Lottergoalie. Was aber niemand sagen darf – sei Gott davor! – und Kevin Schläpfer aufs Energischste dementiert. Aber Caminadas Fangquote ist von über 91 auf unter 90 Prozent gesunken. Nun sind die Langenthaler erstmals seit Menschengedenken aus der Spitzengruppe der Liga gefallen und haben das sonst so typische gesunde Selbstvertrauen verloren.
Kommt dazu: der von Kevin Schläpfer als Ersatz für Eero Elo verpflichtete finnische Schillerfloh Roope Ranta (172 cm/72 kg) ist eine Nullnummer (7 Spiele/1 Tor). Was der Sportchef nicht bestreitet. «Er genügt nicht, wir werden ihn nicht bis Saisonende behalten.» So kommt es, dass Langenthal zum ersten Mal seit über 10 Jahren einem Derby gegen Olten nicht mit keckem Selbstvertrauen, sondern mit Fracksausen entgegenblickt.
Eine Personalsorge weniger
Hier wird gehumpelt, da ist die Hand eingebunden und dort liegt der Arm in der Schlinge. Die Verletzungshexe hat sich zuletzt wohl gefühlt im Kleinholz, weshalb sich der EHC Olten personell am untersten Limit bewegte. Jeweils drei verletzte Verteidiger und Stürmer hat die Mannschaft zu beklagen, was Sportchef Marc Grieder veranlasste, aktiv zu werden: Mit dem 19-jährigen Samuel Leuzinger (SC Bern, U20-Elite) und dem 25-jährigen Lucas Smith (EHC Basel) gastieren zwei Verteidiger in den EHCO-Trainings. Eine Aktivierung der B-Lizenz ist aber (noch) kein Thema.
Die angespannte Personalsituation entschärft sich generell ein wenig: Rechtzeitig zum heutigen Derby beim SC Langenthal kehrt immerhin Stürmer Silvan Wyss in die Mannschaft zurück. Der Kämpfer vor dem Herrn fiel mit Verdacht auf eine Hirnerschütterung aus, was sich in den vergangenen Tagen glücklicherweise nicht bewahrheitete.
Ebenfalls zurück im Lineup ist Verteidiger Dan Weisskopf – nicht nach einer Verletzung, sondern nach einer Spielsperre, die er sich in der ruppigen Partie bei den Ticino Rockets mit einem ungestümen Bandencheck in den Rücken des Gegenspielers eingefangen hatte. Natürlich habe es ihm leid getan, zum dümmsten Zeitpunkt gesperrt zu sein, sagt er. Wobei: Beim 9:1-Auswärtssieg in Zug wurde Weisskopf nicht allzu sehr vermisst, der genauso wie der Rest der Defensive seit Saisonstart einen äusserst sattelfesten Eindruck hinterlässt.
So oder so: Dan Weisskopf weiss nur zu gut, wie es sich anfühlt, monatelang ausser Gefecht zu sein. Im Sommer kämpfte er mit einer hartnäckigen Diskushernie, die so weit führte, dass er sich kaum bewegen konnte und gefühlt ans Bett gefesselt war. Seine Familie hatte in der Folge die Sommerreise nach Kanada ohne ihn angetreten, weshalb er sich alleine um seine Gesundheit kümmern musste. Weisskopf verpasste nicht nur einen wichtigen Grossteil des Sommertrainings, sondern auch die gesamte Saisonvorbereitung. «Es hat viel Geduld gebraucht. Umso glücklicher bin ich, nun wieder topfit zu sein», sagt er. Geht er rund um die vielen verletzten Mitspieler etwas gehemmter ins Spiel? Weisskopf macht grosse Augen: «Nein, nein! Das wäre nicht förderlich für unser Spiel», sagt er und führt aus: «Ich denke keine Sekunde daran, wenn ich in einen Zweikampf gehe, ob ich nun verletzt werde. Verletzungen sind ein Teil unseres Sports und gehören leider auch dazu.»
Wichtig sei, dass man positiv bleibe und alles daran setze, zurückzukommen. So, wie er das im Sommer getan hat. Weisskopf schwärmt von der Mannschaft, dass sie «sehr viel Qualität» habe und die späten Transfers von Dominic Forget und Adam Hasani seien in seinen Augen noch das fehlende Puzzleteil gewesen. «Ich freue mich sehr, mit dieser coolen Truppe auf dem Eis zu stehen: Auf dem Eis sind wir erfolgreich und in der Kabine haben wir Spass – ein richtig gutes Arbeiterleben», sagt Weisskopf und lacht.