
Ein geplanter Staatsstreich: Das war Donald Trumps Kommandozentrale beim Sturm aufs Kapitol
In der Sichtweise der Konservativen war der Sturm auf das Kapitol im schlimmsten Fall eine etwas ausser Kontrolle geratene Demonstration aufrechter Patrioten, die verzweifelt ihr Land retten wollten. Verschwörungstheoretiker beharren derweil nach wie vor darauf, dass es sich beim Mob um verkleidete Antifa-Mitglieder handelte und dass das Ganze vom FBI organisiert war.
Dass dies Unsinn ist, zeigen die zahllosen Videos und Fotos von den Ereignissen am 6. Januar – oder hat jemand dabei auch nur ein dunkelhäutiges Gesicht gesehen? Zudem sagen alle bisher Verhafteten unisono aus, dass sie im Auftrag ihres Präsidenten Donald Trump gehandelt hätten.

Nein, es waren keine friedlichen Patrioten.
Mehr noch: Jüngste Enthüllungen zeigen immer deutlicher, dass es sich beim Sturm auf Kapitol keineswegs um eine spontane Wutentladung gehandelt hat. Es war vielmehr ein geplantes und orchestriertes Ereignis.
So berichtet das Magazin «Rolling Stone», dass Trumps Stabschef Mark Meadows im engen Kontakt zu den Anführern des Mobs gestanden sei. Ebenso haben offenbar mindestens sechs Abgeordnete der Grand Old Party aktiv an der Organisation des 6. Januars mitgewirkt. Es handelt sich dabei um: Marjorie Taylor Green, Andy Biggs, Paul Gosar, Lauren Boebert, Mo Brooks und Louis Gohmert.
Gemäss «Rolling Stone» sollen sie aktiv an den Vorbereitungen für den Sturm auf das Kapitol beteiligt gewesen sein. Paul Gosar soll den Anführern des Mobs dabei versprochen haben, Trump werde ihnen ein Blanko-Pardon gewähren. «Ich habe soeben die Liste der präsidialen Pardon-Gesuche überprüft, und ich will euch bloss mitteilen, wie sehr wir erfreut sind über die harte Arbeit, die ihr leistet», soll Gosar gemäss «Rolling Stone» erklärt haben.
Gosar selbst nimmt zu diesen Anschuldigungen keine Stellung, die anderen Abgeordneten dementieren.
Ebenso schwer belastet wird Trumps ehemaliger Stabschef. «Rolling Stone» zitiert einen der Anführer des Mobs wie folgt: «Meadows wusste zu 100 Prozent, was abgelaufen ist. Er war ein Mitglied der kleinen Gruppe der nationalen Organisatoren.»

Hat den Anführern ein präsidiales Pardon versprochen: Paul Gosar.
Die «Washington Post» knüpft derweil an die brisanten Enthüllungen des Buches «Peril» von Bob Woodward und Robert Costa an und zeigt, dass sich in den Tagen vor dem 6. Januar eine Gruppe von Trump-Anhängern im Willard Hotel in Washington in einer eigentlichen Kommandozentrale trafen. Dort haben sie im Vorfeld und am Tag selbst die Ereignisse koordiniert. Das Willard Hotel ist nur einen Steinwurf vom Weissen Haus entfernt.
Der Kern dieser Gruppe umfasste folgende Personen: Rudy Giuliani, Trumps persönlicher Anwalt. Steve Bannon, sein ehemaliger Wahlkampfmanager und Chefstratege. Bernard Kerik, der ehemalige Polizeikommandant zu Giulianis Zeiten in New York, und der Verfassungsjurist John Eastman. Gelegentlich vorbeigeschaut haben sollen auch so dubiose Figuren wie der langjährige Trump-Kumpel Roger Stone.
In dieser Kommandozentrale hat der Rechts-Professor Eastman seinen Plan vorgestellt, wie Mike Pence die Ernennung von Joe Biden im letzten Moment noch verhindern könnte. Der damalige Vize hätte es in der Hand gehabt, die Zertifizierung der Wahl durch den Kongress zumindest herauszuzögern, so Eastman. Damit hätte sich die Möglichkeit eröffnet, dass die von den Republikanern beherrschten Parlamente der Swingstates ihre eigenen Elektoren nach Washington geschickt und diese dann für Trump votiert hätten.
Weil Pence sich weigerte, ihn auszuführen, scheiterte der Plan. Eastman selbst krebst mittlerweile ebenfalls zurück. Es habe sich bloss um einen Entwurf, keinen definitiven Plan gehandelt, erklärte er kürzlich in einem Interview mit dem Magazin «National Review». Er dürfte wohl bald Gelegenheit bekommen, sich ausführlich zu den Ereignissen zu äussern. Das Komitee zu Aufklärung des Sturmes auf das Kapitol wird ihm bald eine Vorladung schicken.
Bei Steve Bannon ist dies bereits geschehen. Der ehemalige Chefstratege hat sich jedoch geweigert, vor dem Ausschuss zu erscheinen. Deswegen muss er nun mit einem Gerichtsverfahren und allenfalls mit einer Gefängnisstrafe rechnen.

John Eastman (links) zusammen mit Rudy Giuliani bei der Protestversammlung vor dem Kapitol.
Der ehemalige Polizeikommandant Kerik hatte die Aufgabe, allfällige Wahlmanipulationen aufzudecken. Weil es bekanntlich keine gab, blieb er erfolglos. Zudem war er für die Organisation der Kommandozentrale zuständig. Das Erstaunlichste an Kerik ist jedoch die Tatsache, dass er Trump eine Rechnung über 55’000 Dollar zukommen liess – und dass diese Rechnung tatsächlich beglichen wurde.
Am Vorabend des 6. Januars meldete sich Trump persönlich in der Kommandozentrale und erkundigte sich nach dem Stand der Dinge. Zuvor hatte er einmal mehr mit seinem Vize Pence gesprochen und dabei eine abschlägige Antwort erhalten. Pence sei sehr «arrogant» gewesen, jammerte Trump.
Tags darauf griff Verfassungsrechtler Eastman daher in die Vollen. An der mittlerweile legendären Veranstaltung kurz vor dem Sturm ergriff er das Wort. «Wir verlangen vom Vize-Präsident Pence, dass er diesen Nachmittag um 13 Uhr den Parlamentariern der einzelnen Bundesstaaten das Recht einräumt, die Wahlen nochmals zu überprüfen», schrie er ins Mikrofon. «Wenn wir diese Fragen nicht klären können, leben wir nicht mehr in einer sich selbst regierenden Republik.»
Der Aufruf blieb ungehört und der darauf folgende Sturm auf das Kapitol endete in einem Desaster. Wie es zu diesem Desaster kam, will der Ausschuss des Abgeordnetenhauses nun Stück für Stück rekonstruieren. Was bisher aufgedeckt wurde, macht jedoch klar: Es war keine ausser Kontrolle geratene patriotische Demonstration. Es war ein organisierter Staatsstreich, der zum Glück gescheitert ist.