Endo Anaconda von Stiller Has verrät: «Ich zügle vielleicht sogar nach Olten»

Diese Zeitung trifft Endo Anaconda im Haus von Roman und Annetta Wyss im Kleinholzquartier in Olten. Roman Wyss ist seit 2017 Komponist und Pianist seiner Band Stiller Has, die sich mit dem Album «Pfadfinder» auf Abschiedstournee befindet. Am Freitag geben sie ein letztes Konzert in Olten. Stiller Has spielt erstmals im Stadttheater; das Kulturzentrum Schützi, wo das nun nachgeholte Konzert im vergangenen Jahr geplant war, ist bereits mit einer Veranstaltung belegt.

Erinnern Sie sich, wann Sie das erste Mal in Olten waren?

Endo Anaconda: Natürlich, das war in meiner Jugendzeit. Ich bin immer von Österreich mit dem Transalpin nach Zürich gefahren; dann musste ich in Olten umsteigen, weil ich nach Burgdorf wollte. Dort holten mich meine Grosseltern ab. Am Oltner Bahnhof hat mir immer die Stahlarchitektur, und generell in der Schweiz die schöne SBB gefallen.

In Ihrem Lied «Walliselle», das 2000 veröffentlicht wurde, singen Sie, «Olte het früecher öppis golte». Haben Sie sich an dieses Erlebnis erinnert?

An dieses und an die Arbeiterbewegung, die hier auch stark war. Als gelernter Siebdrucker war ich Gewerkschaftsmitglied und hatte immer ein Klassenbewusstsein.

Und «hüt wott niemer meh halte in Olte», singen Sie weiter.

Stimmt ja nicht, jetzt bin ich ja da (lacht). Und ich zügle vielleicht sogar nach Olten. Ich finde Olten eine schöne Stadt.

Warum?

Mein Bandmitglied Roman Wyss wohnt hier, das Studio von Stiller Has ist hier, und ich habe hier in Olten mein Band-Lager mit den CDs und der Buchhaltung. Zudem nächtigte ich in jüngster Vergangenheit immer wieder im Oltner Hotel Astoria. Die Altstadt selbst finde ich schön, und das Stadthaus gefällt mir. Es ist architektonisch so toll!

Das ist jetzt keine Ironie?

Nein, ich finde, dass jede Bauepoche architektonisch eine gute Qualität hervorgebracht hat. Und das Stadthaus – in der Bauepoche des Brutalismus – hat Qualität. Ich weiss, dass sich die Leute damals dagegen gewehrt hatten. Es gibt auch sonst schöne Bauten in Olten, etwa an der Hauptgasse. Das kann man aber nicht von allen hier behaupten… (verwirft die Hände)

Meinen Sie Olten SüdWest?

Das ist das Grabmal des unbekannten Architekten, das ist ja grausig! Aber es musste wahrscheinlich günstig und schnell gehen. Die Leute wollen eigentlich nur eine normale und bezahlbare Wohnung.

Und die suchen Sie jetzt in Olten?

Die ist sicher hier noch zu finden. Oder vielleicht zügle ich auch ins «Astoria», wenn sie mir ein gutes Angebot machen. Das Essen ist super, die Dachterrasse oben auch, und das Personal ist ausserordentlich freundlich und lustig.

Wann gehen Sie ins Stadthaus und melden sich in Olten an?

Das weiss ich noch nicht, jetzt bleibe ich vorerst im Emmental. Während der Tournee ist ein Umzug für mich sowieso zu anstrengend. Aber Olten ist sicher in der engeren Wahl. Ich bin ja auch sehr oft hier. Annetta hat mich fast schon adoptiert (lacht).

Endo Anaconda und Roman Wyss.

Endo Anaconda und Roman Wyss.

Patrick Lüthy

Vielleicht hat die Familie Wyss noch ein Zimmer frei im Haus?

Nein, Roman schnarcht (alle lachen). Spass beiseite: Zwischen zwei Konzerten übernachte ich oft bei ihnen.

Sie sind bis Anfang 2023 auf Abschiedstournee mit Ihrer Band, in der der Oltner Roman Wyss einen wichtigen Part einnimmt. Ist das Konzert diesen Freitag das allerletzte in Olten?

Als Stiller Has mit Band wahrscheinlich schon. Was nachher kommt, davon habe ich noch keinen Plan. Es kann alles sein, ich bin aber gesundheitlich angezählt. Ich brauche dann sicher mal eine Pause. Aber mit Roman werde ich sicher weiterschaffen.

Sie schreiben an einem Gedichtband.

Das tue ich schon mein Leben lang, das ist ein längeres Projekt. Aber künftig wird es wohl eher Sitzkonzerte geben.

Was könnten Sie sich mit Endo Anaconda vorstellen?

Roman Wyss: Natürlich immer vieles, aber es ist Endo, der den Fahrplan vorgibt.

Endo Anaconda: Er macht die Musik, ich bin nicht Musiker.

Roman Wyss: Der Konzertplan ist derzeit so dicht, da ist es schwierig, noch den Kopf frei zu haben für etwas anderes. Mit Endo fühlt sich jedes Konzert wie das erste an und hat eine eigene Wichtigkeit: Das ist sehr anregend, benötigt aber sehr viel Energie. Dies geniesse ich, vor allem weil es nun die letzte Tournee ist. Meine Perspektive ist nur auf diese Tournee gerichtet.

Endo Anaconda: Das wäre vielleicht eine Idee für die Zukunft: «Grantig schnurre» und wenns zu viel wird, dann kommt Roman und spielt auf dem Klavier oder stimmt ein Lied an.

Stiller Has spielt das erste Mal im Stadttheater, wo die bürgerliche Kultur zuhause ist. Das Haus wird jährlich mit 560’000 Franken von der Stadt Olten unterstützt. Das passt doch nicht zu jemandem, der sich auch schon als «Anarchisten» bezeichnet hat und kein «Staatskünstler» sein will, wie Sie kürzlich in einem Interview sagten.

Endo Anaconda: Die Leute zahlen ja Eintritt. Und das Stadttheater ist wohl noch so froh, wenn das Haus ausverkauft ist; denn mit den knapp 600’000 Franken kommen sie nicht weit. Zudem habe ich jahrzehntelang meine Steuern bezahlt, auch als Künstler immer die AHV-Beiträge überwiesen. Bisher war ich nie auf dem Sozialamt oder habe Arbeitslosengeld beantragt. Während der Coronakrise nahm ich nun erstmals Staatsgelder in Anspruch und erhielt Entschädigungen, sonst wäre ich jetzt nämlich pleite. Ich hatte zwar ein ungutes Gefühl, ich gehe lieber «go bügle» für mein Geld. Mein künstlerisches Schaffen war immer selbsttragend. Und für die Preise, die ich erhalten habe, kann ich nichts dafür.

Endo Anaconda sagt: «Ich gehe lieber ‹go bügle› für mein Geld.»

Endo Anaconda sagt: «Ich gehe lieber ‹go bügle› für mein Geld.»

Patrick Lüthy

Obwohl diese zum Teil von den Steuerzahlenden finanziert sind?

Das ist doch gut! Oder müssen nur die Atomkraftwerke subventioniert werden? Ich habe mich bei den Auszeichnungen nie beworben, nehme die Preisgelder trotzdem gerne an; ich bin damit aber nicht reich geworden.

Sie sind zweimal geimpft: Wie sehen Sie die Coronakrise?

Der Bundesrat hätte dafür sorgen müssen, dass von Anfang an genügend Impfstoff da ist und diese Schutzimpfung – es ist kein Piks! – für obligatorisch erklären sollen. Das Militär und der Zivilschutz wären für die Verteilung und die Verimpfung zuständig gewesen. Dann hätten wir die Tausende von Toten verhindert, die es in diesem Winter geben könnte. Wenn die Impfquote nicht genug hoch ist, mutiert nämlich der Virus. Wegen der Coronapandemie gab es schon jetzt mehr Tote als in den beiden Weltkriegen zusammen während der Kampfhandlungen in der Schweiz. Sobald die Booster-Impfung zur Verfügung steht, gehe ich hin. Auch wenn ich jetzt wahrscheinlich Gliederschmerzen wegen der Impfung habe – aber das ist mir egal. Die Alternative mit einem Luftröhrenschlauch «idr Schnurre» ist nicht besser.

Hinweis Konzert von Stiller Has im Oltner Stadttheater, Freitag, 29. Oktober, 20.30 Uhr, Zutritt nur mit gültigem Covid-Zertifikat, Vorverkauf via eventfrog.ch und beim Tourist-Center von Region Olten Tourismus.