
Gestorben trotz doppelter Impfung: Wie viele ältere Menschen trifft es – und wer ist gefährdet?
Ex-US-Aussenminister Colin Powell († 84), Alt-Nationalrat Andreas Herczog (†74) und Alice Schmidli-Amrein (†80), die erste Krienserin, die gegen Corona geimpft worden war: Sie alle sind vor kurzem an Covid verstorben, obwohl sie doppelt geimpft waren. Der Tod von alten, immunisierten Menschen hat zu einem neuen Streit über Sinn und Unsinn der Impfung geführt. Neue Zahlen aus Amerika scheinen den Impfskeptikern auf den ersten Blick Recht zu geben. Doch Vorsicht ist geboten. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was steckt hinter der neuen Debatte über die Wirksamkeit der Impfung bei älteren Menschen?
Der Tod des früheren US-Aussenministers Colin Powell hat in Amerika Anfang Woche war für die Meinungsmacher des Senders «Fox News» ein gefundenes Fressen. Obwohl Powell krebskrank war, verkauften sie den Tod des Staatsmanns als Beweis für die vermeintliche Wirkungslosigkeit der Covid-Vakzine. Auch in der Schweiz hat die Zunahme von doppelt geimpften Covid-Patienten in den Spitälern zu neuen Protesten gegen die Impfkampagne geführt. Die Massnahmengegner der Gruppe «Mass-Voll» etwa nahmen dies zum Anlass, das Covid-Zertifikat auf der Plattform «Telegram» als «unnütz» und «schädlich» hinzustellen.
Was sagen die neuesten Zahlen über den Nutzen der Vakzine?
Neue Zahlen der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC zeigen, dass vollständig geimpfte Über-80-Jährige tatsächlich ein mindestens dreimal höheres Risiko haben, an Covid zu sterben, als ungeimpfte Unter-50-Jährige. Das verdeutlicht die bekannte Tatsache, dass das Alter ein wichtiger Indikator für die Anfälligkeit auf einen schweren Verlauf bei einer Corona-Infektion ist.

Axios-Statistik zeigt: Das Alter bleibt ein signifikanter Faktor bei Covid-Infektionen – Impfung hin oder her.
Gilt das auch für die Schweiz?
Ja. Ein Blick in die Statistik des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) bestätigt, dass das Alter auch hierzulande ein wichtiger Indikator für die Covid-Anfälligkeit ist. Seit Juli gibt es zuverlässige Daten über den Impfstatus verstorbener Covid-Patienten. Sie zeigen: Nur 12 ungeimpfte Personen unter 50 sind seit Juli an Covid-19 verstorben. Bei den vollständig Geimpften über 80 Jahren waren es 71.
Warum ist das so?
Je älter ein Mensch ist, umso schlechter kann sein Immunsystem auf neue Infektionen, aber auch auf eine Impfung reagieren. Das ist auch bei der Grippeimpfung der Fall, bei welcher der Schutz ab 60 je nach Saison nur 30 bis 70 Prozent beträgt. Der Körper produziert nach der Impfung weniger sogenannte B- und T-Gedächtniszellen, die für die Abwehr zukünftiger Infektionen besonders wichtig sind. Zudem verschlechtern zusätzliche Krankheiten, die im Alter häufiger vorkommen, den Heilungsprozess.
Wieso soll man sich denn impfen lassen?
Statistiken zeigen eines ganz deutlich: Das Risiko, an Covid-19 zu sterben, nimmt in allen Altersgruppen rapide ab, sobald man geimpft ist. In der Schweiz etwa sterben viermal mehr ungeimpfte Über-80-Jährige als Geimpfte. Bei den Unter-50-Jährigen ist in der Schweiz seit Mitte Februar 2021 nur ein einziger Fall einer vollständig geimpften Person bekannt, die an Covid verstorben ist – gegenüber 19 Todesfällen von ungeimpften Personen unter 50 Jahren.
Und was heisst das jetzt für die Debatte über die Booster-Dosis?
Der Sohn von Alice Schmidli-Amrein, der ersten Krienserin, die gegen Covid geimpft worden war und kürzlich an Corona verstarb, sagte:
«Hätte meine Mutter eine Booster-Impfung bekommen, wäre sie jetzt noch am Leben.»
Medizinische Untersuchungen scheinen das zu bestätigen. Ali Ellebedy, ein Immunologe an der Washington University im amerikanischen St.Louis, erklärte das dem Magazin «Nature» kürzlich so: Nach jeder Impfung steigt die Zahl der Antikörper schnell an, fällt aber nach einer Weile wieder steil ab. Zurück bleibt eine Restzahl sogenannter Gedächtnis-Zellen, die die Antikörper-Infos speichern. Eine Booster-Impfung lässt die Anzahl dieser Gedächtnis-Zellen grösser werden. Das hilft dem Körper, bei zukünftigen Infektionen schneller reagieren zu können. Deshalb hilft ein Booster den älteren Leuten, bei denen die erste Immunantwort meist schwächer ist.
Und weshalb sind sie in der Schweiz dann noch nicht für alle zugelassen?
Die Schweiz ist auch in der Booster-Frage ein Sonderfall. Zahlreiche Länder haben längst mit der Verabreichung der 3. Impfdosis begonnen. In Frankreich wird gar ein Booster-Obligatorium diskutiert, in Israel können sich schon 12-Jährige ein drittes Mal impfen lassen. Das Institut Swissmedic, das für die Zulassung der Impfstoffe hierzulande zuständig ist, wartet noch zu. Die Daten dazu sind noch nicht eindeutig, ein wichtiger Grund für die zugenommen Fälle ist wohl auch die infektiösere Deltavariante nicht nur die verstrichene Zeit.