
Aarau und Servette liefern ein zwiespältiges Spektakel ab
Nein, so ein Ende hat dieses hochklassige Spiel nicht verdient. Das denken sich auch die Fussballgötter. Die 90. Minute: Ein letzter hoher Ball fliegt in den Servette-Strafraum, plötzlich liegt Stefan Maierhofer am Boden und Schiedsrichter Alain Bieri pfeift. Penalty für Aarau! Die Genfer toben, verständlich aus ihrer Sicht, die Entscheidung ist zumindest fragwürdig. Es kommt zur Rudelbildung vor dem Servette-Tor, auf und neben dem Platz kochen die Gemüter. Als sich die Szenerie einigermassen beruhigt hat, läuft der eingewechselte Petar Misic an und trifft zum 3:3. Kurz darauf ertönt der Schlusspfiff. Doch unter den Jubel des Heimpublikums über den Ausgleich in der Nachspielzeit mischt sich Enttäuschung.
Der Grund dafür heisst Djordje Nikolic. Es läuft die 82. Minute, als der FC Aarau zum wiederholten Mal mit riskanten Kurzpässen einen Angriff aufbaut. Ein Spiel mit dem Feuer – und dieses Mal verbrennt sich das Heimteam die Finger. Nach einem Rückpass von Bürgy verspringt Goalie Nikolic der Ball und landet in den Füssen von Miroslav Stevanovic. Servettes bester Spieler an diesem Abend muss nur noch ins leere Tor einschieben. 3:2 für die Gäste. Der 2:0-Vorsprung des FC Aarau zur Pause? Endgültig dahin.
Es ist eine Szene, wie sie jedes Wochenende auf den Fussballplätzen passiert. Doch für die Aarauer, die in der Schlussphase Aufwind verspüren, kommt sie zum dümmsten Zeitpunkt. Nikolic ist nach dem Schlusspfiff untröstlich, aber immerhin – er stellt sich und sagt: «Das tut mir unendlich leid für die Mannschaft, das darf nicht passieren. Ich kann nur Danke sagen, dass wir noch das 3:3 erzielt haben. Ich muss den Fehler abhaken und es im nächsten Spiel besser machen. Morgen ist ein neuer Tag.»
Trotz seines Riesenfehlers: Es wäre unfair, Nikolic als Alleinschuldigen für den verpassten Sieg gegen Servette zu bezeichnen. Ob Aarau auch ohne Nikolics Aussetzer noch ein drittes Tor erzielt hätte, darüber zu spekulieren ist müssig. Genauso entscheidend sind zwei andere Gründe: Einerseits ist es die Phase zwischen der 56. und der 65. Minute, in der die Aarauer dem Druck nicht mehr gewachsen sind und es zulassen, dass die Genfer innert neun Minuten durch Tore von Rouiller und Chagas den 0:2-Rückstand aufholen.
Andererseits ist es die Klasse des Tabellenführers, der von Anfang bis Ende stilsicherer wirkt als der FC Aarau und aufzeigt, warum alles andere als der Direktaufstieg der Genfer eine kleine Sensation wäre. «Spielerisch sind sie uns überlegen, daran müssen wir uns orientieren, um ein Spitzenteam zu sein», sagt FCA-Trainer Patrick Rahmen und meint: «Natürlich ärgert mich das Gegentor zum 2:3. Aber ich will nicht lamentieren, das Unentschieden ist okay. Das Positive aus unserer Sicht ist die Moral, dank der wir noch den Ausgleich erzielt haben. Und die Tatsache, dass wir der besten Mannschaft der Liga Paroli bieten konnten.»
In der Tat: Weit entfernt von der Klasse des Gegners ist Aarau an diesem Abend nicht. Grosschancen haben beide Mannschaften gleich viele. Und punkto Leidenschaft und Aggressivität sind die Aarauer gar besser. Deshalb und dank eines ihnen gut gesinnten Schiedsrichters steht es zur Pause 2:0. Beide Male ist es Markus Neumayr, der von der Vorarbeit von Stefan Maierhofer profitiert: Erst lenkt er einen Schuss des Österreichers entscheidend ab zum 1:0 (31.). In der 43. Minute verwandelt er souverän vom Punkt, nachdem der Schiedsrichter nach einem leichten Rempler von Sauthier an Maierhofer das erste Mal auf den Punkt gezeigt hat.
Neumayr ist nach dem Spiel verärgert, als Offensivspieler bedauert er natürlich vor allem die verpassten drei Punkte. Er sagt: «Wir sind momentan defensiv nicht gut genug, wir kassieren zu viele Tore. So eine Chance auf den Sieg gegen den Leader müssen wir einfach nutzen. Welches Team hat in dieser Saison schon drei Tore gegen Servette erzielt?» Die Antwort: Keines. Um Neumayrs Kritik mit nackten Zahlen zu untermauern: Servette hat im Brügglifeld die Gegentore 18, 19 und 20 kassiert. Der FCA ist nun bei 37 Gegentreffern angelangt. Das sagt viel aus über die Tatsache, dass Servette zwölf Punkte mehr auf dem Konto hat als Aarau.